Glioblastom

Ätiologie

Das Astrozytom Grad IV ist besser bekannt unter dem Namen Glioblastom oder Glioblastoma multiforme (GBM). Es ist der aggressivste und bösartigste Hirntumor unter den Astrozytomen. Hier die wichtigsten Besonderheiten in klarer Sprache:

Ein Astrozytom Grad IV / Glioblastom ist ein schnell wachsender Hirntumor, der aus Astrozyten entsteht – das sind Stützzellen im Gehirn.

Besonderheiten im Überblick

    1. Schnelles Wachstum
      Das Glioblastom wächst sehr rasch und zerstört gesundes Hirngewebe.

    2. Infiltratives Wachstum
      Es wächst nicht als „Knoten“, sondern breitet sich mit Ausläufern in das umliegende Hirngewebe aus. Das macht eine vollständige operative Entfernung fast unmöglich.

    3. Hohe Zellteilungsrate
      Die Tumorzellen teilen sich extrem schnell – das erklärt das rasche Fortschreiten.

    4. Nekrosen und Gefäßneubildung
      Typisch sind Bereiche im Tumor, wo Zellen abgestorben sind (Nekrosen) und neue, oft fehlerhafte Blutgefäße gebildet werden.

    5. Rezidivgefahr (Wiederkommen)
      Selbst nach Operation, Bestrahlung und Chemotherapie kommt der Tumor fast immer wieder.

    6. Symptome variabel
      Je nach Lage im Gehirn können Krampfanfälle, Lähmungen, Sprachstörungen, Gedächtnisprobleme oder Kopfschmerzen auftreten.

    7. Sehr schlechte PrognoseTrotz Therapie überleben die meisten Betroffenen nur 12–18 Monate im Durchschnitt.

Epidemiologie

Inzidenz (Häufigkeit)

    • 3–5 Fälle pro 100.000 Menschen pro Jahr
    • Das häufigste bösartige (maligne) Gliom
    • Macht etwa 15–20 % aller Hirntumoren und 60–70 % aller Gliome aus

Wer ist betroffen?

    • Alter: Meist Menschen zwischen 55 und 75 Jahren, Durchschnittsalter bei Diagnose: ca. 64 Jahre
    • Geschlecht: Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen (etwa 1,5:1)
    • Kinder: Sehr selten – bei Kindern sind andere Tumorarten typisch

Verteilung

    • Weltweit ähnlich verbreitet, keine klare regionale Häufung In Ländern mit besserer Bildgebung (z. B. MRT) werden mehr Fälle erkannt

Tendenz

    • Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter der Bevölkerung zu
    • Keine klaren Umweltfaktoren als Hauptursache bekannt

Histologie

    •  Histologisch
      • Zellatypien
      • Gefäßproliferationen und Gefäßkurzschlüsse
      • Hämorrhagien
      • Verfettung und Verkalkung
    • Grad IV:
      • rascher infiltrativer Wachstum
      • gelegentlich Metastasierung im ZNS

Prognose

    • Infaust
    • für Riesenzellglioblastome etwas günstiger

Verlauf

    • Kurze Anamnesedauer
    • Ausfälle in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation wie
      • Hemiparesen,
      • zerebrale Krampfanfälle,
      • hirnorganische Psychosyndrome,
      • Zeichen gesteigerten intrakraniellen Druckes (häufig).

Therapie

Die Therapie des Glioblastoms, des aggressivsten primären Hirntumors beim Erwachsenen, folgt heute einem multimodalen Ansatz – also einem abgestimmten Zusammenspiel mehrerer Behandlungsstrategien aus Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie – und neuerdings auch individualisierte Ansätze.

1. Chirurgische Resektion

Die erste Etappe: Die Operation.

Ziel ist es, so viel Tumorgewebe wie möglich zu entfernen, ohne wichtige Hirnfunktionen zu gefährden. Man spricht von einer „grosszügigen Resektion“ – aber oft bleibt ein „Resttumor“ zurück, weil Glioblastome ins umgebende Hirngewebe infiltrieren.

Neurochirurgie mit intraoperativem MRT, Fluoreszenz (z. B. 5-ALA) oder Wach-OPs werden eingesetzt, um das Maximum herauszuholen.

Links

    • Intraoperatives MRT
      Senft, C. et al.(2011), Intraoperative MRI guidance and extent of resection in glioma surgery: a randomised, controlled trial (🕸️PubMed)

    • 5-ALA-Fluoreszenz
      Stummer, W. et al.; ALAGlioma Study Group (2006)
      Fluorescence-guided surgery with 5-aminolevulinic acid for resection of malignant glioma: a randomised controlled multicentre phase III trial (🕸️PubMed)

    • Wachoperationen (Awake Craniotomy)
      Gerritsen, JKW. et al. (2019), Awake craniotomy in glioma surgery: is it necessary? (🕸️PubMed)

2. Radiochemotherapie nach Stupp-Protokoll

„Goldstandard“ seit 2005:

    • Stupp-Schema = Strahlentherapie + Temozolomid-Chemotherapie.
    • Strahlentherapie: 30–33 Sitzungen über 6 Wochen (60 Gy gesamt).
    • Temozolomid: Ein oral verfügbares Alkylanz, das parallel zur Bestrahlung täglich gegeben wird und danach in Zyklen für bis zu 6 Monate weitergeführt wird.
      • Patienten mit 🕸️MGMT-Promotor-Methylierung profitieren besonders – hier ist die Tumorzelle gegenüber Temozolomid empfindlicher.

3. Tumortherapiefelder (TTFields)

Ein relativ neues Verfahren:
Patienten tragen ein Gerät (z. B. Optune®), das über Elektroden am Schädel ein elektrisches Wechselfeld erzeugt. Dieses stört die Zellteilung von Tumorzellen – wie ein „elektrisches Stolpern“ für wachsende Zellen.

In Studien konnte damit das Überleben verlängert werden, v. a. in Kombination mit Temozolomid.

Link

    • Kumar N, Nolan A, Robertson SP, et al. (2023), Recent advances in Tumor Treating Fields (TTFields) therapy for glioblastoma (🕸️PubMed)

4. Rezidivtherapie

Das Glioblastom kommt fast immer zurück. Dann heißt es: Neue Strategie.

    • Wiederoperation, wenn möglich.

    • Bevacizumab (Anti-VEGF-Antikörper): Bei Ödem oder Tumorprogress – aber ohne gesicherten Überlebensvorteil.

    • Re-Bestrahlung: selektiv möglich.

    • Klinische Studien: Einschluss in Studien ist oft die beste Option (z. B. Immuntherapie, CAR-T-Zellen, Vakzine, neue Zielstrukturen).

5. Individualisierte Therapien & Zukunftsansätze

    • Immuntherapie: Checkpoint-Inhibitoren zeigten bisher begrenzten Erfolg – aber Kombinationen werden getestet.

    • Genomische Profile: Personalisiert, z. B. NGS (next-generation sequencing) zur Identifikation von Zielmutationen.

    • IDH-Mutation: Wenn vorhanden (sehr selten beim Glioblastom), bessere Prognose und andere Therapiepfade.

Fazit

Das Glioblastom ist ein „Chamäleon“ unter den Hirntumoren – schwer fassbar und hartnäckig. Die beste Therapie ist eine Kombination aus Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie. Neue Technologien wie TTFields (eine spezielle  Therapie mit elektrischen Feldern, siehe 🕸️Produktseite) oder Immuntherapien geben Hoffnung, auch wenn die Heilung bisher selten gelingt. Ziel ist, das Leben zu verlängern und die Lebensqualität zu erhalten.