Medulloblastom
Unterschiede zum Glioblastom
Das Medulloblastom und das Glioblastom sind beide hochmaligne Hirntumoren – aber sie unterscheiden sich deutlich in ihrer Biologie, Lokalisation, Altersverteilung und Therapieansprechen. Die „Aggressivität“ muss man also differenziert betrachten. Lass uns das wie ein kleines Duell darstellen:
Glioblastom vs. Medulloblastom – der Vergleich
Merkmal |
Glioblastom |
Medulloblastom |
---|---|---|
Ursprung |
Großhirn (v. a. Frontotemporal) |
Kleinhirn (meist vermisnah) |
Zelltyp |
astrozytär (gliale Zellen) |
neuronale/embryonale Ursprungszellen |
Altersgruppe |
v. a. Erwachsene (>60 J.) |
v. a. Kinder (3–10 J.), aber auch Jugendliche/Junge Erwachsene |
WHO-Grad |
Grad 4 (immer hochmaligne) |
Grad 4 (immer), aber molekular heterogen |
Wachstum |
sehr rasch, infiltrativ |
ebenfalls rasch, aber kompakteres Wachstum |
Ausbreitung |
lokal infiltrativ im Gehirn |
häufig leptomeningeale Streuung (Liquor! Rückenmark!) |
Therapieansprechen |
schlecht |
besser (v. a. bei Kindern) |
Prognose |
Medianes Überleben: 12–18 Monate |
variabel: 60–80 % 5-Jahres-Überleben bei Kindern möglich |
Therapie |
OP + Radiochemotherapie (Temozolomid) |
OP + Craniospinale Bestrahlung + Chemotherapie |
Molekular |
IDH, MGMT wichtig |
4 Subtypen: WNT, SHH, Group 3, Group 4 (sehr relevant für Prognose!) |
Zusammenfassung des Vergleichs
-
-
Das Glioblastom ist bei Erwachsenen der aggressivste Hirntumor – mit schneller Infiltration und sehr schlechter Prognose.
-
Das Medulloblastom ist ebenfalls hochmaligne, aber in der Regel besser therapierbar, vor allem bei Kindern.
-
Während das Glioblastom eher „unter dem Radar“ wächst und kaum streut, kann das Medulloblastom sehr früh über den Liquorraum streuen – eine andere Art von Aggressivität.
-
Zusatzinfo zur molekularen Subtypisierung beim Medulloblastom (relevant für Prognose):
Subtyp |
Häufigkeit |
Prognose |
---|---|---|
WNT |
~10 % |
sehr gut (über 90 % 5-Jahres-ÜL) |
SHH |
~30 % |
variabel (abhängig vom Alter und TP53) |
Gruppe 3 |
~25 % |
schlechteste Prognose (häufig Metastasen) |
Gruppe 4 |
~35 % |
intermediär |
Ätiologie
-
- Häufigster neuroepithelialer Tumor der hinteren Schädelgrube im Kindes- und Jugendalter.
- Lokalistation:
- Das undifferenzierte, rasch proliferierende Medulloblastom liegt typischerweise in der Mittellinie des Kleinhirns und im Dach des 4. Ventrikels.
- Beim Medulloblastom kommt es relativ häufig zur Metastasierung, insbesondere über den Liquorweg in den Spinalkanal sowie auch in basale Zisternen und innere Liquorräume;
- darüber hinaus sind auch extraneurale Metastasen beobachtet worden.
- Das Medulloblastom rezidiviert häufig.
- Im höheren Alter: häufiges Rezidivieren,
- Meist in den Kleinhirnhemisphären auftretende desmoplastische Variante hat eine bessere Prognose.
Klinik
-
- relativ kurzer Anamnesedauer
- Zeichen gesteigerten intrakraniellen Druckes, bei gestörter Liquorzirkulation
- zerebelläre Symptome,
- Hirnnervenausfälle,
- bei spinaler Metastasierung
- Wurzel-,
- Hinterstrang-
- oder Querschnittssymptome.
Therapie
-
- Operation bei dem hochmalignen, infiltrierend wachsenden Tumor
- vollständige Entfernung ohne zusätzliche Schädigung umliegender Strukturen schwierig.
- Bei der Operation wird daher mit der Verkleinerung der Tumormasse insbesondere die histologische Diagnosesicherung und die Wiederherstellung der Liquorzirkulation angestrebt.
- Die Implantation eines Shunts ist wegen der Gefahr einer systemischen Metastasierung problematisch; die Anwendung von Filtern soll dieses Risiko vermindern.
- Strahlentherapie
- Medulloblastome sind strahlensensibel
- daher postoperativ Radiotherapie
- verbessert die Prognose.
- Da häufig Metastasen im Liquorraum vorkommen, wird die gesamte kraniospinale Achse bestrahlt.
- Chemotherapie beim Medulloblastom
- Operation bei dem hochmalignen, infiltrierend wachsenden Tumor
Ablauf der Therapie
Die Kombination von Operation, Chemotherapie und Strahlentherapie beim Medulloblastom folgt einem präzise abgestimmten Zeitplan – ähnlich wie ein gut choreografiertes Ballett. Ziel ist, das Tumorgewebe maximal zu schädigen, aber gleichzeitig die gesunden Strukturen – besonders bei Kindern – so gut wie möglich zu schonen.
Hier erkläre ich dir das Stufenkonzept einfach und anschaulich:
1. Reihenfolge: Immer zuerst die OP
-
- Ziel: maximale Tumorresektion
- Danach erfolgt die genaue Risikoeinteilung (Standard vs. Hochrisiko) anhand von:
- Metastasierung (M0 oder M+)
- Resektionsgrad
- Histologie
- Molekulare Struktur
- Danach erfolgt die genaue Risikoeinteilung (Standard vs. Hochrisiko) anhand von:
- Ziel: maximale Tumorresektion
2. Strahlentherapie: craniospinal + Boost
-
- Beginnt ca. 4–6 Wochen nach OP, wenn der Patient stabil ist
-
- Bei Kindern ab 3 Jahren
- Craniospinale Bestrahlung (CSI):
z. B. 23,4 Gy (Standardrisiko) oder 36 Gy (Hochrisiko) auf das gesamte ZNS - Tumor-Boost (Posterior fossa oder Tumorbett): zusätzliche 30–36 Gy
- Dauer: ca. 6 Wochen
- Craniospinale Bestrahlung (CSI):
- Bei Kindern <3 Jahr
- Strahlentherapie wird möglichst hinausgezögert oder vermieden, da sie die sich entwickelnden Hirnstrukturen schädigt.
- Bei Kindern ab 3 Jahren
-
- Beginnt ca. 4–6 Wochen nach OP, wenn der Patient stabil ist
3. Chemotherapie: parallel und sequentiell
-
- Während der Strahlentherapie:
- Vincristin wird wöchentlich gegeben, um die Wirkung der Bestrahlung zu verstärken (Radiosensibilisierung)
- Nach der Strahlentherapie (Konsolidierung):
- Mehrere Zyklen von Chemotherapie zur „Nachbearbeitung“, Kombinationen aus:
- Cisplatin
- Cyclophosphamid
- Vincristin
- ggf. Carboplatin, Etoposid
- Mehrere Zyklen von Chemotherapie zur „Nachbearbeitung“, Kombinationen aus:
- Bei Hochrisikopatienten
- Häufig Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation („Megatherapie“)
- Während der Strahlentherapie:
Beispiel: SIOP-PNET-5 MB (Standardrisiko-Kinder)
Phase | Therapie |
---|---|
Woche 0–6 |
Radiotherapie + Vincristin (wöchentlich) |
Woche 7–20 |
Chemotherapie-Zyklen mit Cisplatin, Cyclophosphamid, Vincristin |
ggf. Woche 21+ |
Erhaltungstherapie oder Studienprotokoll |
Besonderheiten bei Erwachsenen:
-
-
Meist gleiche Reihenfolge (OP → Strahlen → Chemo). Chemotherapie meist mit
-
Vincristin + Cisplatin + Lomustin (CCNU)
-
Aber: mehr Nebenwirkungen, daher oft Dosisanpassung nötig
-
-
Fazit
Zuerst Operation mit Tumorverkleinerung.
Die Bestrahlung bekämpft Tumorzellen im ganzen Nervensystem, besonders solche, die sich über den Liquor ausgebreitet haben. Die Chemotherapie verstärkt diesen Effekt – zuerst begleitend (Vincristin), dann als „Aufräumarbeit“ danach (mehrere Medikamente in Zyklen). Je nach Risiko wird diese Kombination intensiviert oder angepasst.