Neurolues

Klassifikation der Neurolues

Mesenchymale Neurolues

  • Akute frühluische Meningitis
    • Meningeale Reizung im Rahmen der hämatogenen Erregerausbreitung zu Beginn des Sekundärstadiums. Im Liquor Zellzahl leicht erhöht, Gesamtprotein normal oder erhöht, Zeichen der Schrankenstörung.
  • Meningovaskuläre Lues
    • Manifestation im Rahmen der tertiären Lues (Orkanes) 7-12 Jahre post infektionem mit meningitischen Symptomen: Lymphoplasmozytäre granulomatöse (gummöse) Meningitis mit bevorzugtem Befall der Hirnbasis (Hirnnervenausfälle), selten der Konvexität sowie häufig des Spinalkanals (radikuläre und Querschnitt-Syndrome), und/oder mit vaskulären Symptomen: Heubnersche Endarteriitis mit Stenosen, Verschlüssen oder Aneurysmen. Im Liquor Zellzahl erhöht, Gesamteiweiß leicht bis stark erhöht, Schrankenstörung, oligoklonale Banden.

Parenchymatöse Neurolues

  • Manifestation 8-20 Jahre post infectionem bei 2% der unbehandelten bzw. ungenügend behandelten Syphilitiker.
  • Tabes dorsalis
    • Chronische Leptomeningitis mit Schädigung der spinalen Hinterwurzeln und sekundärer Degeneration der Hinterstränge. Leitsymptome sind „lanzinierende“ Schmerzen, Ataxie, Pallhypästhesie, Pupillenanomalien, Reflexanomalien, Hirnnervenausfälle (Optikusatrophie!), trophische Störungen (Mal perforant du pied). Im Liquor Zellzahl normal bis leicht erhöht, Gesamtprotein normal bis leicht erhöht, Zeichen der Schrankenstörung, in vielen Fällen oligoklonale Gammopathie.
  • Progressive Paralyse
    • Chronische Enzephalitis mit frontalhinbetonter Parenchymdegeneration. Leitsymptome sind: Hirnorganisches Psychosyndrom (100%), Pupillenanomalien, epileptische Anfälle, Dysarthrie. Im Liquor Zellzahl leicht erhöht, Gesamptprotein normal bis leicht erhöht, Zeichen der Schrankenstörung, fast ausnahmslos oligoklonale Gammopathie.
  • Taboparalyse
    • Kombination von Tabes dorsalis und progressiver Paralyse.

Diagnostik

Serologische Reaktionen

TPHA-Test (Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest): Suchtest bei anamnestischem oder klinischem Verdacht. FTA-ABS-Test (Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest): Bestätigungsreaktion bei positivem TPHA-Test. FTA-ABS- und TPHA-Test beruhen auf dem Nachweis Treponemen-spezifischer Antikörper der IgG- und IgM-Klasse. Der FTA-ABS-Test wird etwa 3-4 Wochen post infectionem, der TPHA-Test etwa 1 Woche später reaktiv; beide Tests bleiben lebenslang positiv. Nur ausnahmsweise kommen falsch-reaktive Ergebnisse vor (z.B. Autoimmunkrankheiten). Bei positivem Ausfall von TPHA-Test und FTA-ABS-Test gibt es an einer durchgemachten Infektion mit Treponemen keinen Zweifel. 19S(IgM)-FTA-ABS-Test: Nachweis spezifischer 19S(IgM)-Antikörper nach Abtrennung der 7S(IgG)-Fraktion. Falsch negative Ergebnisse sind bei sehr hoher IgG-Antikörper-Konzentration und AIDS möglich.

Ein reaktiver 19S(IgM)-FTA-ABS-Test ist jedoch ein verläßliches Kriterium für das Vorhandensein virulenter Erreger und indiziert Behandlungsbedürftigkeit. Allerdings schließt ein fehlender Nachweis Treponemen-spezifischer IgM-Antikörper im Serum eine aktive Neurolues nicht aus. CMF-Test (Cardiolipinmikroflockungstest) und VDRL-Test (Veneral-Disease-Research-Laboratory-Slide-Test): Nachweisunspezifischer „Reagine“, die mit Lipoid—Antigenen (z.B. Cardiolipin) reagieren und etwa 5 Wochen post infectionem auftreten. Häufig unspezifisch positive Befunde bei viralen und bakteriellen Infektionen, bei Tumorleiden und Kollagenosen. Deshalb für die serologische Verifizierung einer Syphilis wertlos, aufgrund der leichten Quantifizierbarkeit dagegen für eine Beurteilung der Aktivität des Krankheitsprozesses hilfreich.

Liquorpunktion

immer im Sekundärstadium und später: Zellzahl, Differentialzellbild, Gesamteiweiß, Liquorproteinprofil. Nachweis oligoklonaler Banden, serologische Reaktionen, Nachweis einer spezifischen intrathekalen Antikörper-Produktion durch Quotientenbildung, z.B.

TPHA-Quotient = TPHA-Titer(Liquor)/TPHA-Titer(Serum) x Gesamt-IgG(Serum)/Gesamt-IgG(Liquor)

Eine Erhöhung des TPHA-Quotienten >2,0 beweist das Vorliegen einer Neurosyphilis. Der TPHA-Quotient erlaubt keine Aussage über die Aktivität des entzündlichen ZNS-Prozesses. Dafür sind Liquorzellzahl und Serum-IgM-Antikörpertiter heranzuziehen.

Sonstige Untersuchungen

Zum Ausschluß anderer Organbeteilung sollten konsiliarische Untersuchungen im internistischen, ophthalmologischen und HNO-ärztlichen Fachbereich veranlaßt werden.

Therapie

Therapie der Wahl

  • Hochdosierte Penicillingabe
    • Penicillin G 6x5Mio IE/d i.v. über 14 Tage (Kurzinfusion in 10oml 5%Glucose über 20min)
  • Alternativ
    • Procain-Penicillin 1Mio IE/d i.m.
    • in Kombination mit Probenecid 4x500mg/d p.o. über 21 Tage.

Therapie bei Penicillin-Allergie

  • Doxycyclin 2x100mg/d i.v. über 30 Tage.
  • Alternativ
    • Erythromycin 4x500mg/d p.o. über 30 Tage, besonders bei Vorliegen einer Gravidität

Überwachung des Patienten

  • klinische Untersuchung und serologische Kontrolle nach 3, 6 und 12 Monate, danach in Abhängigkeit vom Befund, mindestens aber einmal pro Jahr über einen Zeitraum von 10 Jahren.
  • Lumbalpunktionen in direktem Anschluß an den Therapiezyklus sowie nach 6, 12 und 24 Monaten. Die Zellzahl normalisiert sich in der Regel innerhalb von 6 Monaten, Nach 12 Monaten zeichnet sich ein Rückgang der intrathekalen IgG-Produktion ab. Kann aber lebenslang nachweisbar sein. Der 19S-IgM-FTA-ABS-Test im Serum wird manchmal erst nach 2-3 Jahren nach Antibiotikagabe negativ. Der VDRL-Titer sollte innerhalb von 6-9 Monaten abnehmen.

Indikation zur wiederholten Therapie

  • Persistenz oder Verschlechterung klinischer Symptome
  • Pleozytose 6 Monate nach der Therapie
  • signifikanter Titer-Anstieg von Lipoid-Antikörpern, wenn der 19S-IgM-FTA-ABS-Test länger als 3 Jahre positiv ist.
  • Bis heute liegt weder ein absolut zuverlässiger Test für die mögliche Erregerpersistenz noch ein sicheres Heilungskriterium vor.

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