Motorische Systemerkrankungen

Als motorische Systemerkrankungen wird eine Gruppe degenerative Krankheiten bezeichnet, bei denen es kombiniert oder isoliert zu einem Ausfall von spinalen oder bulbären Motoneuronen sowie großen Pyramidenzellen im Motorkortex kommt.

Einteilung

Neben hereditären progressiven spinalen Muskelatrophien

  • SMA I-IV bzw. Werdnig-Hoffmann
  • Kugelberg-Welander, sowie seltenen anderen Formen) und der spastischen Spinalparalyse

unterscheidet man klinisch eine dritte eigenständige Gruppe, zu der die

  • adulte progressive Muskelatrophie (PMA),
  • die progressive Bulbärparalyse (PBP) und
  • die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) gehören.

Eine weitere eigenständige Erkrankung ist das Post-Polio-Syndrom (PPS), bei der sich Jahrzehnte nach einer adulten Poliomyelitis eine langsam progrediente Zunahme der peripheren Paresen entwickelt.

Symptome

  • Paresen
  • Spastik
  • Muskelkrämpfe
  • Sialorrhoe
  • Dysphagie
  • Schlafstörungen
  • Pathologisches Weinen, Lachen, Gähnen
  • Dysarthrie
  • Ateminsuffizienz

Diagnostik

Entscheidend für die Diagnose einer motorischen Systemerkrankung ist der elektromyographische Nachweis einer disseminierten Läsion peripherer Motorneurone in verschiedenen Körperregionen bei gleichzeitigem Ausschluß anderer Ursachen (z.B. multiple radikuläre Wurzelkompressionen). Der differentialdiagnostisch wichtige Nachweis einer Beteiligung zentraler Motoneurone bei ALS und der spastischen Spinalparalyse erfolgt in erster Linie klinisch, in Einzelfällen erst mit Hilfe der transkraniellen Magnetstimulation des Motorkortex. Da für alle motorischen Systemerkrankungen bisher kein pathognomonischer Laborparameter bekannt ist, bleibt der Ausschluß andersartiger Erkrankungen, die eine ähnliche Symptomatik imitieren können, von größter Bedeutung.

Differentialdiagnostik

Mit entsprechender Diagnostik sind vor allem auszuschließen:

  • multiple radikuläre Kompressionen (evtl. in Kombination mit einem engen Spinalkanal),
  • Paraproteinämien und Lymphome mit und ohne Nachweis von Antikörpern gegen Ganglioside,
  • Poliomyositis,
  • Hexosaminidase-Defizit,
  • Hyperthyreose,
  • Hyperparathyreoidismus,
  • HIV-1-assoziierte tropische Paraparese,
  • chronische Guillain-Barré-Syndrom.

Therapie

Ätiologie und Pathogenese der motorischen Systemerkrankungen sind bisher unbekannt, eine ursächlich wirksame Therapie ist nicht verfügbar. Zahlreiche Versuche, den Verlauf der ALS mit unterschiedlichen Präparaten (Vitaminen, Virostatika, Immunsuppressiva, Ganglioside, Calciumantagonisten) zu beeinflussen, sind bisher erfolglos geblieben. TRH hat nur zu einer vorübergehenden, wenige Stunden anhaltenden und klinisch meist nicht relevanten Verbesserung einzelner Motorischer Funktionen geführt. N-Acetylcystein, Ciclosporin, verzweigtkettige Aminosäuren und Ganzkörperbestrahlung haben bisher keine sicheren Effekte gezeigt. Derzeit noch nicht abgeschlossen bzw. in Vorbereitung sind Therapieversuche mit Wachstumsfaktoren (IGF, CNTF), Glutamatantagonisten (Dextromethorphan, Riluzole) und anti-retroviralen Substanzen. Soweit die aufgeführten Begleit- oder Grunderkrankungen aufgedeckt werden, sind diese entsprechend zu behandeln. Insbesondere ist bei Immunopathien ein Therapieversuch (vorzugsweise mit Cyclophosphamid) gerechtfertigt.

Für die symptomatische Behandlung der vielfältigen, im Verlauf der motorischen Systemerkrankunge auftretenden Beschwerden stehen eine Reihe von Behandlungsverfahren mit meist leider begrenzter, häufig nur vorübergehender Wirkung zur Verfügung.

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