Real Case: Glioblastom

Der australische Arzt und Melanomforscher Professor Richard Scolyer erkrankte im Jahr 2023 an einem aggressiven Hirntumor, einem Glioblastom. Aufgrund seiner eigenen Forschungserfahrung im Bereich der Immuntherapie bei Hautkrebs entschied er sich, eine experimentelle Behandlung an sich selbst durchzuführen. Diese Therapie kombinierte verschiedene Medikamente vor der Operation, um sein Immunsystem darauf vorzubereiten, die Krebszellen effektiver zu bekämpfen. Ein Jahr nach der Behandlung zeigte sich, dass der Tumor nicht zurückgekehrt war, und Professor Scolyer fühlte sich deutlich besser. 

Im März 2025 teilte Professor Richard Scolyer mit, dass sein Hirntumor, das Glioblastom, zurückgekehrt sei. Obwohl ein Teil des Tumors operativ entfernt werden konnte, war eine vollständige Entfernung aufgrund der Lage nicht möglich.  Seine Ärzte gaben ihm daraufhin eine Prognose von nur noch wenigen Monaten. Professor Scolyer äußerte, dass er sich darauf konzentriere, die verbleibende Zeit mit seiner Familie zu verbringen.

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Große Herausforderung: Maligne Hirntumoren

Bösartige Tumoren des Gehirns sind zwar selten (etwa 2% aller Krebserkrankungen). Es sind aber trotzdem ca. 7.300 Menschen in Deutschland (ca. 700 in Österreich), die daran erkranken. Der Verlauf ist meist binnen weniger Jahre tödlich. Es gibt zwar sehr differenzierte Therapieformen, die in vielen Fällen den Tod hinauszögern, aber nicht verhindern können. Die einzelnen Tumorformen haben dabei unterschiedliche Verläufe und auch unterschiedliche Therapieoptionen, auch abhängig vom Alter des Patienten. Tumoren, die im Kindesalter auftreten haben hierbei oft eine etwas günstigere Prognose. In den folgenden Artikeln ist diese Krankheitsgruppe näher beschrieben und auch die aktuelle Therapie dargestellt.

Die Hoffnung liegt auf zukünftigen Therapieoptionen. Diese nutzt das Wissen der Tumorgenetik und mit der Möglichkeit einer gentechnischen Therapie (z.B. CAR-Therapie). Aber auch weitere Therapien sind gerade in Erforschung.

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Schmerztherapie mit Cannabinoiden?

Cannabinoide: Patienten schwören darauf, nicht immer macht es Sinn. Hier finden Sie eine aktuelle Gegenüberstellung von Pro und Contra.

Cannabinoide in der Schmerztherapie: Evidenzbasierte Anwendungsgründe und Potenziale

Die Verwendung von Cannabinoiden in der Schmerztherapie gewinnt zunehmend an medizinischer Bedeutung. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Cannabinoide insbesondere bei neuropathischen Schmerzen eine therapeutische Wirksamkeit aufweisen können, wobei eine Metaanalyse mit individuellen Patientendaten eine klinisch relevante Schmerzreduktion um mindestens 30% nachweisen konnte. Als Alternative zu konventionellen Schmerzmitteln bieten Cannabinoide mehrere potenzielle Vorteile, darunter ein geringeres Suchtpotenzial im Vergleich zu Opioiden sowie zusätzliche positive Effekte auf Schlaf und Stimmung. Dennoch bleibt die wissenschaftliche Evidenz für manche Schmerzarten begrenzt, und individuelle Faktoren spielen bei der Wirksamkeit eine entscheidende Rolle.

Wirkmechanismen von Cannabinoiden im menschlichen Körper

Interaktion mit dem Endocannabinoidsystem

Cannabinoide entfalten ihre schmerzlindernde Wirkung primär über das Endocannabinoidsystem, ein komplexes Netzwerk von Rezeptoren, die eine wichtige Rolle bei der Regulation von Schmerzen und anderen physiologischen Prozessen spielen. Die Hauptwirkstoffe der Cannabispflanze, Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), interagieren auf unterschiedliche Weise mit diesem System. THC bindet vorwiegend an CB1-Rezeptoren im Gehirn und peripheren Nervensystem, was die Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung modulieren kann. CBD hingegen wirkt über verschiedene Mechanismen, einschließlich entzündungshemmender Effekte, die indirekt zur Schmerzlinderung beitragen können.

Multifaktorielle Wirkungsweise

Ein wesentlicher Vorteil von Cannabinoiden in der Schmerztherapie liegt in ihrer multifaktoriellen Wirkungsweise. Neben der direkten Schmerzlinderung können sie weitere Aspekte beeinflussen, die für Schmerzpatienten relevant sind:

Die entzündungshemmende Wirkung, besonders von CBD, kann bei Schmerzen helfen, die durch entzündliche Prozesse verursacht werden. Gleichzeitig können Cannabinoide den Schlaf verbessern – ein wichtiger Faktor für viele Schmerzpatienten, die häufig unter schlafbezogenen Problemen leiden. Zusätzlich können sie eine stimmungsaufhellende Wirkung entfalten, was besonders relevant ist, da chronische Schmerzen oft mit Depressionen und Angstzuständen einhergehen[2]. Diese Kombination aus schmerzlindernden, schlaffördernden und stimmungsregulierenden Eigenschaften macht Cannabinoide zu einer potenziell wertvollen Option in der ganzheitlichen Schmerzbehandlung.

Evidenz für die Wirksamkeit bei verschiedenen Schmerzarten

Neuropathische Schmerzen

Die stärkste Evidenz für den Einsatz von Cannabinoiden liegt im Bereich neuropathischer Schmerzen vor. Systematische Reviews und Metaanalysen haben eine klinisch relevante Wirksamkeit von Medizinalhanf bei dieser Schmerzform nachgewiesen. Eine Metaanalyse mit individuellen Patientendaten zeigte eine „Number Needed to Treat for Benefit“ (NNTB) von 6 für eine Schmerzreduktion um mindestens 30%. Dies bedeutet, dass sechs Patienten behandelt werden müssen, damit einer von ihnen eine klinisch relevante Schmerzlinderung erfährt – ein Wert, der als klinisch bedeutsam gilt.

Allerdings ist die Validität dieser Ergebnisse durch kleine Stichprobengrößen und kurze Studiendauer eingeschränkt. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) fordert für die Zulassung eines Schmerzmedikaments Studien mit einer Mindestdauer von 12 Wochen, während viele der analysierten Cannabinoid-Studien deutlich kürzer waren.

Andere Schmerzarten

Bei anderen Schmerzformen ist die Evidenzlage weniger überzeugend. Für Tumorschmerzen, rheumatische Schmerzen und gastrointestinale Schmerzen ist die Wirksamkeit von Cannabinoiden bislang nicht ausreichend belegt. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass Cannabismedizin bei Migräne, Fibromyalgie und chronischen Rückenschmerzen wirksam sein könnte. Diese vorläufigen Ergebnisse bedürfen jedoch weiterer Bestätigung durch methodisch hochwertige Studien.

Potenzial zur Reduzierung des Opioidkonsums

Cannabinoide als Opioid-Alternative

Ein besonders vielversprechender Aspekt der Cannabinoid-Therapie ist das Potenzial, den Konsum von Opioiden zu reduzieren oder diese sogar zu ersetzen. Studien zeigen, dass Patienten, die Cannabis als Ergänzung zu Opioiden einnehmen, ihren Opioidbedarf deutlich senken können. Eine im Journal of Pain Research veröffentlichte Studie ergab, dass fast 60% der Patienten, die zusätzlich zu Opioid-Medikamenten cannabisbasierte Medikamente einnahmen, ihren Opioid-Konsum reduzieren konnten. Bemerkenswert ist, dass 40% der Befragten sogar angaben, die starken Medikamente nach Beginn der Cannabis-Einnahme vollständig abgesetzt zu haben.

Stabilere Langzeitwirkung

Eine weitere Metaanalyse untersuchte die langfristige Wirksamkeit von Cannabis bei der Schmerzbehandlung und kam zu dem Ergebnis, dass Patienten bei langfristiger Cannabis-Einnahme eine stabile Schmerzlinderung erfuhren, ohne die Dosis erhöhen zu müssen. Dies stellt einen wesentlichen Vorteil gegenüber Opioiden dar, bei denen häufig aufgrund von Toleranzentwicklung eine kontinuierliche Dosissteigerung erforderlich ist.

Sicherheitsprofil und Vorteile gegenüber konventionellen Analgetika

Vergleich mit Opioiden

Ein entscheidender Vorteil von Cannabinoiden gegenüber Opioiden liegt in ihrem günstigeren Sicherheitsprofil. Im Gegensatz zu Opioiden haben Cannabinoide ein geringeres Suchtpotenzial und verursachen keine so starke körperliche Abhängigkeit. Während Überdosierungen mit Opioiden lebensbedrohlich sein können, sind Cannabis-Überdosierungen zwar unangenehm, aber nicht lebensgefährlich.

Zudem weisen Cannabinoide ein milderes Nebenwirkungsprofil auf. Opioide verursachen häufig schwerwiegende Nebenwirkungen wie Verstopfung, Atemdepression und starke Sedierung. Die Nebenwirkungen von Cannabinoiden sind im Vergleich dazu oft weniger schwerwiegend, obwohl sie nicht vernachlässigt werden sollten.

Nebenwirkungsprofil von Cannabinoiden

Trotz des günstigeren Sicherheitsprofils sind auch bei Cannabinoiden unerwünschte Wirkungen zu beachten. In Studien traten unter anderem Somnolenz, Appetitveränderungen, Schwindel und vorübergehende kognitive Beeinträchtigungen auf. Die NNTH („Number Needed to Harm“) für einen Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen lag bei 25, was als klinisch nicht relevant eingestuft wurde. Es fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zu Placebo hinsichtlich der Rate schwerwiegender Nebenwirkungen.

Herausforderungen und Limitationen beim Einsatz von Cannabinoiden

Individuelle Variabilität der Wirksamkeit

Eine bedeutende Herausforderung bei der Anwendung von Cannabinoiden ist die starke individuelle Variabilität in der Wirksamkeit. Nicht alle Patienten sprechen gleich gut auf die Behandlung an; die Effektivität kann je nach Schmerzart und individueller Reaktion erheblich variieren. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer personalisierten Therapieplanung und sorgfältigen Patientenauswahl.

Wissenschaftliche Evidenzlage

Obwohl vielversprechende Ergebnisse vorliegen, ist die allgemeine Evidenzlage für Cannabinoide in der Schmerztherapie noch immer begrenzt. Bei vielen Schmerzarten fehlen qualitativ hochwertige, langfristige Studien mit ausreichenden Teilnehmerzahlen. Die verfügbaren Daten sind oft durch kleine Stichprobengrößen, kurze Studiendauer und methodische Einschränkungen limitiert.

Rechtliche und regulatorische Hürden

Trotz zunehmender medizinischer Akzeptanz bestehen weiterhin rechtliche und regulatorische Barrieren, die den Zugang zu Cannabinoiden erschweren können. Diese Hürden können sowohl die Forschung als auch die klinische Anwendung beeinträchtigen und tragen zur gesellschaftlichen Stigmatisierung bei, die mit der Verwendung cannabisbasierter Medikamente verbunden sein kann.

Fazit

Die verfügbare Evidenz deutet darauf hin, dass Cannabinoide eine wertvolle Ergänzung des therapeutischen Arsenals in der Schmerzmedizin darstellen können, insbesondere bei neuropathischen Schmerzen und als potenzielle Alternative zu Opioiden. Ihre multifaktorielle Wirkungsweise, das günstigere Sicherheitsprofil im Vergleich zu Opioiden und die Möglichkeit, den Opioidkonsum zu reduzieren, sprechen für ihren Einsatz in bestimmten klinischen Szenarien.

Allerdings ist die wissenschaftliche Evidenz für viele Schmerzarten noch begrenzt, und individuelle Faktoren spielen eine entscheidende Rolle für den Therapieerfolg. Cannabinoide sollten daher nicht als Allheilmittel betrachtet werden, sondern als eine Option im Rahmen eines umfassenden, individualisierten Behandlungskonzepts.

Zukünftige Forschung sollte sich auf längerfristige, methodisch hochwertige Studien mit größeren Patientenzahlen konzentrieren, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabinoiden bei verschiedenen Schmerzarten genauer zu charakterisieren. Zudem sind weitere Untersuchungen nötig, um optimale Dosierungsschemata, Applikationsformen und spezifische Cannabinoid-Kombinationen für unterschiedliche Patientengruppen zu etablieren.

Quellen

    1. Häuser, W. et.al (2017)
      Cannabinoide in der Schmerz- und Palliativmedizin
      (Deutsches Ärzteblatt, 🕸️PDF)
    2. Chrubasik-Hausmann, S. (2019)
      Zur klinischen Wirksamkeit von Präparaten aus dem Hanf
      (Klinikum Uni Freiburg, 🕸️PDF)
    3. Rohleder, C. et al. (2020)
      Pharmakologie von Cannabis und Cannabinoiden (Psychopharmakotherapie ppt-online, 🕸️Artikel)
    4. Pramhas, S. et al. (2023)
      Oral cannabidiol (CBD) as add-on to paracetamol for painful chronic osteoarthritis of the knee: a randomized, double-blind, placebo-controlled clinical trial
      (The Lancet, 🕸️Artikel)
    5. Häuser, W. et al. (2023)
      Cannabis bei Schmerzen aufgrund einer Krebserkrankung
      (cochrane.org, 🕸️EBM)
    6. Sonnet, M. (2025)
      Neuropathische Schmerzen bei Multipler Sklerose und Krebs besser verstehen
      (Der Schmerz, SpringerMedizin, 🕸️Artikel)