Friedreich Ataxie

Ursache

Die Friedreich-Ataxie (FA, ICD11: 8A03.10) ist eine genetisch bedingte, neurodegenerative Erkrankung, die durch eine Mutation im FXN-Gen verursacht wird. Diese Mutation führt zu einem Mangel an Frataxin, einem Protein, das für die Funktion der Mitochondrien essenziell ist.

Als Gendefekt liegt am Chromosom 9 ein GAA-Triplet wiederholt vor: FXN-Gen (Chromosom 9q13-21.1)

    • Die häufigste Mutation ist eine GAA-Trinukleotid-Expansion im ersten Intron des FXN-Gens.
    • Gesunde Personen haben etwa 5–33 Wiederholungen von GAA.
    • FA-Patienten haben über 70–1000 Wiederholungen.
    • Diese Expansion führt zur epigenetischen Stilllegung des FXN-Gens, wodurch weniger oder gar kein Frataxin-Protein produziert wird.

Vererbungsmodus

    • Autosomal-rezessiv
    • Beide Eltern müssen Träger eines mutierten FXN-Gens sein.
    • Wenn beide Eltern ein mutiertes Allel haben, beträgt das Risiko für das Kind, an FA zu erkranken, 25 %.
    • Prävalenz:  1:25000 bis 1:50000

Pathophysiologie

Warum führt der Frataxin-Mangel zur Erkrankung?

1. Mitochondriale Dysfunktion

    • Frataxin ist wichtig für die Eisen-Schwefel-Cluster (Fe-S-Cluster) in den Mitochondrien.
    • Ohne Frataxin kommt es zur Eisen-Akkumulation in den Mitochondrien und zu oxidativem Stress.

2. Nervenzellschädigung

    • Besonders betroffen sind die dorsalen Wurzeln und Hinterstränge des Rückenmarks, das Kleinhirn und die spinozerebellären Bahnen.
      Dies erklärt die Gangunsicherheit (Ataxie) und Koordinationsprobleme.
      Anders gesagt:

      • Degeneration der
        • Tractus spinocerebellares
        • Hinterstränge inkl. Ganglia dorsalia
        • Tractus corticospinales
      • milde Degeneration im späteren Verlauf von
        • Kleinhirns
        • Hirnstammes.

3. Herz- und Muskelschäden

    • FA-Patienten entwickeln oft eine hypertrophe Kardiomyopathie.
      Die gestörte Energieversorgung der Muskeln führt zu Muskelschwäche.

4. Diabetes-Mellitus-Risiko

    • Störungen im Eisenstoffwechsel beeinträchtigen auch die Funktion der Bauchspeicheldrüse.

Klinik

    • im ZNS / PNS
      • sensomotorische Polyneuropathie (distal betonte, atrophische Paresen)
      • Ausfall der Muskeleigenreflexe
      • Gang- Stand- und Extremitätenataxie
      • Dysarthrie
      • Tiefensensibilitätsstörungen
      • Spastik als „Pyramidenbahnzeichen“ ist möglich
      • Optikusatrophie
      • Innenohrschwerhörigkeit
    • im weiteren Verlauf
      • Augenbewegungsstörungen
      • Blaseninkontinenz
    • außerhalb des ZNS
      • Kyphoskoliose
      • Hohlfuß
      • Kardiomyopathie
      • Diabetes mellitus.

Ein frühes Manifestationsalter weist in der Regel auf eine rasche Progredienz hin. Lebenserwartung durchschnittlich 38 Jahre.

DD

    • Abetalipoproteinämie
    • HMSN
    • M. Refsum

Therapie

Für die Friedreich-Ataxie gibt es derzeit keine kausale Therapie, aber verschiedene medikamentöse Ansätze zur symptomatischen Behandlung und Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Zu den Standardtherapien gehören:

1. Disease-Modifying Therapien (neue spezifische Medikamente)

    • Omaveloxolon (Skyclarys™)
      • Zugelassen in den USA (2023), in der EU noch in Prüfung.
      • Wirkung: Beeinflusst den Nrf2-Signalweg, um oxidativen Stress zu reduzieren und die mitochondrialen Funktionen zu verbessern.
      • Studien: Verbesserte motorische Funktionen bei Patienten im Vergleich zu Placebo.

2. Antioxidative und mitochondrial unterstützende Medikamente (off-label)

    • Idebenon (Raxone®)
      • Verwendet in einigen Ländern zur Behandlung der Friedreich-Ataxie, obwohl nicht offiziell zugelassen.
      • Wirkung: Antioxidativ, verbessert möglicherweise die mitochondriale Funktion und reduziert kardiale Hypertrophie.
      • Studienlage: Uneinheitliche Ergebnisse, keine klare Wirksamkeit auf neurologische Symptome.
    • Coenzym Q10 + Vitamin E
      • Wirkung: Unterstützung der mitochondrialen Funktion.
      • Studien: Einzelne kleine Studien zeigen eine mögliche Verlangsamung der Krankheitsprogression.
    • Erythropoetin (EPO, experimentell)
      • Wirkung: Könnte die Frataxin-Expression erhöhen.
      • Status: Noch nicht standardmäßig etabliert.

3. Symptomatische Behandlung

    • Spastik & Muskelsteifigkeit
      Medikamente zur Muskelrelaxation:

      • Backofen
      • Tizanidin
      • oder Botulinumtoxin
    • Koordinationsstörungen & Tremor
      Je nach Symptomen können folgende Medikamente überlegt werden:

      • Gabapentin
      • Clonazepam
      • Betablocker (z. B. Propranolol)

    • Kardiomyopathie
      zur Behandlung von Herzbeteiligung:

      • ACE-Hemmer
      • Betablocker
      • Diuretika
    • Diabetes mellitus (falls vorhanden)
      • Standardtherapie mit oralen Antidiabetika oder Insulin.

Es gibt laufende Forschungen zu Gentherapie und Frataxin-Ersatztherapie, aber diese sind noch nicht als Standardtherapie verfügbar.

Hier noch die aktuelle Datenlage (März 2025) zur Fataxin-Ersatztherapie:

Frataxin-Ersatztherapie ist derzeit nicht als Standardtherapie verfügbar, befindet sich aber in der klinischen Entwicklung. Es gibt mehrere vielversprechende Ansätze, die untersucht werden:

1. Protein-Substitutionstherapie (Direkte Frataxin-Gabe)

    • CTI-1601 (Larimar Therapeutics)
      • Ein rekombinantes Frataxin-Protein, das mithilfe einer speziellen Peptid-Technologie in die Mitochondrien transportiert wird.
      • Status:
        • Phase-1-Studien zeigten eine Erhöhung des Frataxin-Spiegels.
        • FDA hat die Studie 2021 pausiert, aber 2023 wurde die Entwicklung wieder aufgenommen.
        • Noch nicht zugelassen.

2. Genersatztherapie

    • Vatiquinon (PTC743, PTC Therapeutics)
      • Ziel: Reduktion von oxidativem Stress und mitochondrialer Dysfunktion.
      • Status:
        • Phase-3-Studien wurden durchgeführt, aber die Ergebnisse waren gemischt.
    • AAV-basierte Gentherapie (Preklinisch)
      • Mehrere Unternehmen (z. B. Voyager Therapeutics) erforschen virale Vektoren (AAV), um das FXN-Gen in Zellen einzuschleusen und Frataxin direkt herzustellen.
      • Status:
        • Bisher noch keine klinische Anwendung.

Kurz gesagt:  Es gibt noch keine zugelassene Frataxin-Ersatztherapie. CTI-1601 ist der vielversprechendste Kandidat, aber noch in der Studienphase. Gentherapie befindet sich größtenteils in der präklinischen Forschung.

Letzte Aktualisierung 25.3.2025