Idiopathische Fazialisparese

Synonym: Bell’s Palsy

Äthiologie

Häufigste Ursache der peripheren Fazialisparesen ist

  • idiopathische Fazialisparesen oder Bell-Paresen (Bell‘s palsy)
    • Inzidenz 23/100.000 im Jahr
    • in den meisten Fällen ist HSV Typ I die Ursache
    • auch andere Viren können die periphere Fazialisparese auslösen
    • diffferentialdiagnostisch muss auch an die Borreliose gedacht werden

Klinik

  • akut einsetzende Symptomatik
  • einseitige Schwäche aller vom N.facialis versorgten Muskeln:
  • Stirnrunzeln eingeschränkt
  • Lidschluß eingeschränkt
  • hängender Mundwinkel
  • keine Sensibilitätsstörung
    • wird eine Gefühlsstörung beschrieben, so ist diese oft eine falsche Umschreibung der Schwere der Lähmung. Der Pat. berichtet oft von einem „unnatürlichen“ oder „bamstigen“ Gefühl in der gelähmten Gesichtshälfte.
  • Entsprechend der Anatomie sind auch möglich
    • Störung der Tränen- und Nasensekretion
    • Hyperakusis mit Ausfall des Stapediusreflexes (initial)
    • eine einseitige Geschmacksstörung im vorderen Drittel der Zunge (der über die Chorda tympani vermittelten Qualitäten)
    • eine Störung der Speichelsekretion
    • retroaurikulärer Schmerz (initial)
  • Bei sorgfältiger Untersuchung auch gelegentlich eine Mitbeteiligung anderer Hirnnerven.

Neurophysiologische Verfahren (z.B. Stimulations-EMG, Magnetstimulation, Blinzelreflex) tragen zu Diagnostik und Prognosebeurteilung bei. Dyskinesien und „Krokodilstränen“ (Fehlsprossung) und Kontrakturen der mimischen Muskulatur sind bekannte Residuen.

Diagnostik

Ausschluß symptomatischer Fazialisparesen. Diagnostische Schwierigkeiten können sich z.B. ergeben beim Zoster oticus ohne typische Effloreszenzen oder wenn die Fazialisparese Erst- oder Alleinsymptom einer Lyme-Borreliose oder einer Entmarkungskrankheit (Oligodendroglia am proximalen Nervenabschnitt) ist.

Therapie

  • Bei Fehlen von Kontraindikationen möglichst frühzeitiger Beginn (innerhalb von 48h nach Einsetzen der Symptomatik) einer Kortisontherapie in Anlehnung an das Schema von Adour mit Prednisolon (Aprednisolon® 25mg tbl, 5mg tbl) initial 1-1,5mg/kgKG über 3-5 Tage, danach Reduktion um 10mg/d, oder direkt absetzen.
  • wir geben: Prednisolon 50mg (o. 75mg) 1-0-0 f. 1 Wo.
  • Relative Kontraindikation der Kortisontherapie sind Diabetes mellitus, Magenulkusanamnese, Gravidität, sehr niedriges oder hohes Lebensalter. Bei Fazialisparesen im Rahmen eines Zoster oticus Therapie mit Aciclovir (Zovirax®) 3x5mg/kgKG/d mit langsamer Reduktion über 2 Wochen.
  • Unterstützende häufige Beübung der mimischen Muskulatur vor dem Spiegel. Vor allem nachts Uhrglasverband mit Augensalbe, künstliche Tränen (Protagent®) 4xtgl bei inkomplettem Lidschluß (als Gel: Vidisic® Augengel)
  • Operative Dekompression des Nerven nur bei Paresen, die schlagartig mit einem Trauma einsetzen. Abwarten, wenn sich eine Parese mit zeitlicher Latenz zum Trauma entwickelt.
  • Reizstrombehandlung der mimischen Muskulatur werden nicht empfohlen.
  • Bei inkompletter oder ausbleibender Rückbildung stehen eine Reihen rekonstruktierender operativer Maßnahmen zur Verfügung.

Verlauf

Die Pathologie ist bisher nicht ausreichend untersucht. In 80% der Fälle bildet sich die Lähmung in Wochen bis Monaten zurück, auch spontan. Ist die Parese unvollständig, bzw. in Rückbildung in der ersten Woche, kann dies als günstig gewertet werden.

Ungünstig sind

  • vollständige Lähmung
  • Persistieren in der ersten Woche
  • fortgeschrittenes Alter der Patienten
  • Diabetes mellitus
  • arterieller Hypertonie.

Ist die Lähmung vollständig oder persistiert in der ersten Woche, so muß man sich auf eine längere Heilungsphase (bis 3 Monate) einstellen. Manchmal dauert es bis zu 2 Jahre. Die Heilung ist dann meist unvollständig und es kann zur aberanten Regeneration kommen. Hierbei wachsen Nerven falsch ein. Man findet dann beispielsweise

  • Krokodilstränen
  • Dyskinesien
  • „Jaw winking“

Links

  • Logopädische Therapie der Facialisparese: Logopädie-Austria
  • Powerpoint-Präsentation: Facialisparese. Anmerkung: die Präsentation zeigt auch die differentialdiagnostischen Aspekte. Die angegebenen Prozentangaben und Therapieschematas kritisch hinterfragen.
  • 2007 aktuelle Information zur Therapie der Facialis-Parese im NEJM:
    Sullivan et al 2007 Aprednisolon oder Aciclovir – Ergebnis: Prednisolon wirkt signifikant, nicht aber Aciclovir.

 

 

Schreibe einen Kommentar