Akutes Guillain-Barré-Syndrom

Synonym: Akute Polyradikuloneuropathie, akutes GBS

Ätiologie

Zelluläre Immunreaktion gegen peripheren Nerven mit lymphomonozytären Zellinfiltraten, Demyelinisierung (Arachidonsäurederivate, Makrophagen) und Waller-Degeneration.

Klinik

Erkrankung in jedem Lebensalter. Häufig 10-14 Tage vorausgehend „grippaler“ Infekt. Häufig Zytomegalie, Epstein-Barr-Virus, Mycoplasma pneumonae und Campylobacter jejuni. Mitunter nach körperlicher Belastung wie Operation oder Trauma.. Erste Symptome: Schwäche der Beine, milde Parästhesien (fakultativ), ziehende Schmerzen. Lähmungen innerhalb weniger Tage aufsteigend, Ateminsuffizienz, Hirnnervenlähmungen (ca. 50% Fazialisparesen). Autonome Funktionsstörungen in diesem Stadium häufig Todesursache (Hypotension, kardiale Arrhythmien). Elektrolytische Störungen (Hyponatriämie), mitunter auch zentralnervöse Symptome (bis 10%) mit positivem Babinski-Zeichen und Ataxie, Bewußtseinsstörungen (delirante Symptome).

Sonderformen

Miller-Fisher-Syndrom

mit der Trias Ataxie, Areflexie, Ophthalmoplegie, zumeist vergesellschaftet mit einer überwiegend sensiblen Polyneuropathie, kraniale Neuritis. Liquorproteinvermehrung (bis zu 10g/l) kann in den ersten 6-8 Krankheitstagen fehlen, initial nicht selten lymphozytäre Pleozytose (bis zu 20 Zellen/mm3), die in fortgeschrittenen Stadien wieder verschwinden (dissociation albuminocytologique).

Progredienz über 3-4Wocehn, dann spontane Rückbildung in den meisten Fällen über Monate, Prognose insgesamt gut, unter modernen Intensiv-Pflegebedingungen ist die Letalität in den letzten Jahren ständig gesunken (derzeit ca. 5-10%).

EMG

Prognostische Wertigkeit von EMG-Untersuchungen

Je geringer akute Denervierungszeichen (pathologische Spontanaktivität), desto günstiger die Rückbildung, desto geringer die Residuen (schwere Behinderungen bei ca. 15-20% der Patienten).

Differentialdiagnose

  • Intoxikationen mit chlorierten Kohlenwasserstoffen
  • Porphyrie
  • Botulinusintoxikation
  • Lyme-Borreliose

Therapie – Allgemeine Maßnahmen

  • Bei Ateminsuffizienz endotracheale Intubation, assistierte oder volle Beatmung
  • Thromboseprophylaxe – in der Regel low-dose-Heparinisierung mit 2×7500 IE Calcium-Heparin subkutan pro 24h (CalciparinŽ oder FraxiparinŽ). In sehr schweren Fällen mit völliger Tetraplegie kann eine Vollheparinisierung mit 1000 IE/h notwendig werden. Kompressionsstrümpfe.
  • Bei Tachycardie Gabe von Propranolol (DocitonŽ)
  • Bei Bradykardie, besonders bei höhergradigem AV-Block, passagerer Schrittmacher
  • Hypertonie 10mg Nifedipin (AdalatŽ-Kapseln) oder auch 0,15mg Clonidin (CatapresanŽ).
  • Physikalische Therapie ist in der akuten Phase eine der wichtigsten Maßnahmen überhaupt. Während des paralytischen Stadiums Umlagerung alle 1-1,5h, Lagerung auf einer Spezialmatratze (Dekubitusprophylaxe). Prevention von Kontrakturen. In der Rekonvaleszenz gezieltes Training der Muskulatur, Geh- und Bewegungshilfen, Einleitung notwendiger orthopädischer Maßnahmen.
  • Behandlung autonomer Funktionsstörungen wie Harnverhalten und kardiale Rhythmusstörungen machen u.U. eine spezifische Therapie notwendig.

Medikamentöse Therapie

7S-Immunglobiline

  • Intravenöse Therapie mit 7S-Immunglobulinen: Gabe von 0,4g IgG/kgKG/d (VenimmunŽ, o.a.) über 5 Tage intravenös. Die Wirksamkeit ist vergleichbar mit der Plasmaaustauschbehandlung – aber leichter durchzuführen, daher bei uns Therapie der Wahl.
  • Langsam infundieren, Überwachung.

Kortikosteroide

  • Die Gabe von Kortikosteroiden beim akuten GBS ist gesichert, es gibt aber primär auch eine Verschlechterung, die evtl. Intensivtherapie notwendg macht, daher ist diese Therapieform (wenn auch die billigste) nicht unbedingt zu empfehlen
    • Stoßtherapie mit Gaben von 500-1000mg Prednison über 3-5Tage

Plasmaaustauschbehandlung

  • Effekt in einer großangelegten Multicenterstudie an 245 Patienten belegt (McKhann 1988), signifikant vor allem die Verkürzung der Krankheitsdauer und die Notwendigkeit zur respiratorischen Unterstützung. Frühzeitiges Einsetzen der Plasmaaustauschbehandlung ist notwendig. Risiken sind Blutungen, anaphylaktische Reaktion auf Fremdproteine (minimal bei Verwendung von 5%igem Humanalbumin als Ersatzlösung), hypotone Krisen. Unter Berücksichtigung der Kontraindikationen Austausch von 5-6mal 2l Plasma nach dem oben beschriebenen Schema (J.2.-1.2.3).

Plasmaseperation

  • Die Plasmaseperation mit anschließender Immunadsorption bietet den Vorteil der körpereigenen Plasma wieder zu reinfundieren. Die Methode ist noch nicht sicher bewertbar.

Liquorfiltration

  • Legen eines Lumbalkatheters
  • PAL-Filtersystem mit Saugpumpe
  • ca. 250ml in Fraktionen zu ca 30ml werden ausgetauscht

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