Diabetes mellitus ist wohl die häufigste Ursache für Polyneuropathien in Industriestaaten.
Ätiologie
Die Ursache diabetischer Neuropathien ist multifaktoriell. Im Vordergrund stehen Störungen des Axontransportes durch Energiemangel aufgrund der diabetischen Stoffwechsellage, weiters entstehen sekundäre Schwann-Zellschädigung durch Anhäufung von Stoffwechselprodukten. Durch die diabetische Makroangiopathie entstehen ischämische Läsionen.
Klinik
Manifestationshäufigkeit korreliert mit zunehmender Diabetes-Dauer und dem Lebensalter der Patienten, nach 5 Jahren bei etwa 60% der Patienten nachweisbar. Entwicklung abhängig von der Güte der Diabetes-Einstellung (HBA 1). Diabetische Polyneuropathie kann der Manifestation des Diabetes vorausgehen. Bekannt sind mehrere Formen von PNP, je nach betroffener Faserpopulation. Zumeist distal betonte, überwiegend sensible Ausfälle (dickkalibriges System). Daneben außerordentlich schmerzhafte PNP mit autonomen Funktionsstörungen (dünnkalibriges System). Umschriebene Läsionen des PNS finden sich bei den diabetischen Monopathien (Okulomotoriuslähmung, thorakoabdominale Radikulopathie) und der diabetischen Amyotrophie.
Therapie
Exakte Blutzuckereinstellung
ist die Voraussetzung für eine Behandlung der diabetischen PNP (Diät, orale Antidiabetika und Insulin). Eine generelle Einstellung auf Insulin ist nicht indiziert. Gutes Ansprechen in der Regel bei den akut aufgetretenen Erkrankungen nur selten verzögerte Besserung bei den chronischen PNP.
Verbesserung der intrazellulären Glukoseverwertung
und Beseitigung diabetogener radikaler Gruppen durch Alpha-Liponsäure. Wirksamkeit vor allem gegen schmerzhafte, dünnkalibrige diabetische Polyneuropathie. Therapieeffekt nicht durch kontrollierte Studien bestätigt.
- Alfa-Liponsäure, syn.: Thioctsäure (= Alpha-Liponsäure, z.B. Tioctan®, 1A=50mg)
- 600-800mg/d i.v. Infusion über 14 Tage
- Danach Dauertherapie mit 3x200mg/d p.o.
- Wirkung ist zweifelhaft (mir ist keine Studie bekannt, die einen Langzeiteffekt der Thioctsäure zeigt)
Schmerzbehandlung
- Carbamazepin 2×200(300)mg bis 2×400(600)mg/d.
- Bei Therapieresistenz Gabe von Thymoleptika zur Schmerzdistanzierung
- wie Amitriptylin (z.B. Saroten®) 25-0-50mg/d
- evtl. in Kombination mit einer abendlichen Gabe von Neuroleptikum (ohne wissenschaftliche Evidenz)
Therapie der autononomen Funktionsstörungen
Magen-Darm-Atonie
- Kleine Mahlzeiten
- Metoclopramid (Paspertin® 3-4 x 10mg/d)
- Cholinesterase-Hemmer
- Neostigmin (Normastigmin®) 3×0,25-0,5mg/d i.m. oder s.c.
Diabetische Diarrhoe
- Loperamid (Imodium®) 3-4 x 1Kps /d
- in schweren Fällen Colestyramin (Quantalan®) 3x4mg/d
bei Blasenatonie
- physikalische Therapie mit Klopfentleerung
- Cholinergika, z.B. Carbachol 4×1-2mg/d
- suprapubischer Blasenkatheter
- Behandlung chronischer Harnwegsinfekte
bei Hypotonie
- Stützstrümpfe
- Fludrocortison 0,1-0,2mg/d
- Versuch mit Metoclopramid (Paspertin®) 30mg/d
Potenz- und Ejakulationsstörungen
(häufige vaskuläre Schwellkörperinsuffizienz)
- evtl. gefäßchirurigischer Eingriff oder
- prothetische Versorgung
- Schwellkörperautoinjektion (SKAT) mit Papaverin (Androskat®) und Regitin.