Blasenfunktionsstörungen

Allgemein

Dei Harnblasenwand besteht aus glatten Muskelfasern (M.detrusor vesicae). Die innere longitudinalen Muskelfasern setzen sich in die Urethra fort.

Die Kontraktion des M. detrusor vesicae führt zur

  • Erhöhung des intravesikalen Drucks
  • und Verkürzung und Erweiterung der proximalen Urethra.
  • Dadurch kommt es zur Senkung des Abflußwiderstandes.

Steuerung

  • Parasympathikus (aus S2-S4 über Nn. pelvici).
  • Sympathische Innervation (aus Th11-L2 über die Nn. hypogastrici).
    • alfa-adrenerge Stimulation (Rezeptoren vorwiegend im Blasenhals und in der proximalen Urethra: sog. „Sphinkter internus“) führt zur Zunahme des Abflußwiderstandes,
    • beta-adrenerge Stimulation (Rezeptoren vorwiegend im Blasenkörper) führt zur Erschlaffung des Blasenkörpers.

Sympathische und parasympathische Nervenfasern bilden in der Blasenwand ein dichtes Geflecht.

Die Umschaltung vom 1. auf das 2. parasympathische Neuron erfolgt vorwiegend in den intramuralen gelegenen Ganglienzellen.

Die sympathischen Efferenzen werden nicht im Grenzstrang, sondern im Plexus hypogastricus inferior (Ganglion pelvinum), z.T. vielleicht auch in den intramuralen Ganglien umgeschaltet.

Der quergestreifte M. sphincter urethrae (Sphinkter externus) kann  willkürlicher (über N. pudendus, Steuerzentrum im Gehirn: Lous paracentralis an der Mantelkante)  angesteuert werden: Willkürlicher Verschluß der Harnröhre. Bei Miktion erschlafft er meist vollständig

  • Speicherung von Urin: durch Sympathikusaktivierung
  • Blasenentleerung: Parasympathikusaktivierung zusammen mit der willkürlichen Erschlaffung des Sphinkter externus

Diagnostik

Anamnese

Fragen nach der täglichen Trinkmenge und Details der Blasenentleerung

  • Frequenz
  • Größe der Harnportionen
  • Art des Blasengefühls
  • unwillkürliche Harnabgänge
  • Triggermechanismen
  • Stärke des Harnstrahls
  • Möglichkeit der Strahlunterbrechung
  • Vollständigkeit der Entleerung
  • Eruieren von evtl. Störungen der Sexualfunktionen
  • Medikamentenanamnese

Körperliche Untersuchung

  • Allgemeiner neurologischer Status
  • dabei besonders auf Empfindungsstörungen im Reithosengebiet
  • äußere Genitale
  • perianal
  • Prüfung von Kremaster-, Gluteal- und Analreflex
  • Orientierend kann klinisch auch der Pudendo-Analreflex geprüft werden:
    • Kompression der Glans penis bzw. clitoridi führt zur reflektorischen Kontraktion des M. sphincter ani externus (digitale Austastung).

Urologische Funktionsdiagnostik

  • wiederholte Restharnbestimmung
  • Messung der maximalen und der effektiven Blasenkapazität
  • Urodynamische Untersuchung: Harnflußmessung (Uroflowmetrie)
  • Blasendruckmessung während der Füllungsphase (Zystomanometrie)
  • Druck-Fluß-Messung während der Miktion (Miktiometrie) Unter gleichzeitiger Registrierung des Bauchrauminnendrucks durch Messung im Enddarm (Rektumdruckmessung). Das Verhältnis von Miktionsdruck zu maximalem Harnfluß ergibt den Widerstandskoeffizienten
  • Bildgebende Verfahren
    • Röntgenologische Darstellung der Niere und er ableitenden Harnwege
      • statisch und während Miktion
    • Sonographie
      • Verifizierung von Abflußhindernissen (Harnstauung);
  • semiquantitative, „nicht-invasive“ Restharnbestimmung
  • Elektrophysiologische Zusatzdiagnostik
    • Nadelmyographie aus dem M. sphinkter ani externus
    • Bestimmung der Latenz des Bulbocavernosus-Reflexes (Ableitung der Reflexantwort aus dem M. bulbocavernosus auf Elektrostimulation des N. dorsalis penis (N. pudendus).
      • Gestatten eine Aussage über die Integrität der somatischen Segmente S2-S5 und des N. pudendus.
      • Suprasakrale Leitungsstörungen können durch Tibialis- und Pudendus-evozierte Potentiale nachgewiesen werden.
      • Bei Verdacht auf Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie: EMG-Ableitung auf dem M. transversus perinei profundus (der den M. sphincter urethrae bildet) vor und während der Miktion.

Klassifikation

Es gibt keine einheitliche Klassifiktation. Die folgende Einteilung geht von der Doppelfunktion des unteren Harntraktes aus: Harnspeicherung und –abgabe. Hieraus ergeben sich unmittelbar die zu behandelnden Symptome.

Neurogene Schäden haben häufig kombinierte Funktionsstörungen zur Folge (Speicher- und Entleerungsstörungen), die dann getrennt klassifiziert und u.U. auch behandelt werden müssen.

Störungen der Speicherfunktion

  • Die Effektive Blasenkapazität ist vermindert,
  • die Miktionsfrequenz ist erhöht.
  • Die urodynamsiche Abklärung erfolgt durch die Zystomanometrie.

Hyperreflexie des M.detrusor

  • Durch suprasakrale Rückenmarksläsionen:
  • Enthemmung des parasympathischen Miktionszentrums
  • es kommt zur
    • Nykturie,
    • häufiger oder imperativer Harndrang und Dranginkontinenz.
  • Zystomanometrie zeigt:
    • sich abnorme Druckanstiege während der Blasenfüllung („ungehemmte Wellen“).
    • Der Detrusorkoeffizient (eine speziell definierte Blasencompliance) ist herabgesetzt.
  • liegt die Läsion unterhalb der Brücke (Pons), so besteht zusätzlich eine Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (siehe unten)
    • die Harnentleerung bleibt unvollständig (Restharn).
  • bei Schädigung des Gehirns oberhalb des Hirnstamms
    • die Miktion ist koordiniert, also restharnfrei („zerebral enthemmte Blase“) möglich

Viele Parkinson-Patienten haben Blasenstörungen,

  • zerebral enthemmten:
    • hyperreaktiven Detrusors steht im Vordergrund,
    • gleichzeitig Entleerungsstörung (in erster Linie durch Behandlung mit Levo-Dopa und Anticholinergika)

Beim Mantelkantensyndrom geht lediglich die willkürliche Kontrolle über den äußeren Schließmuskel verloren.

Überlaufblase

  • bei präganglionär denervierter Blase (nach Zerstörung des Sakralmarks und/oder der von dort austretenden Nerven)
  • atonische Blasenmuskulatur
  • mit Überlaufinkontinenz
  • der intramurale Nervenplexus wird sekundär überdehnt und geschädigt
    • Funktion erlischt
    • Comliance ist erhöht

Streßinkontinenz

  • Schwäche des Sphinktermechanismus
    • Ursache: anatomische Gegebenheiten oder iatrogene Läsionen
    • manchmal bei Lähmung der Sphinktermuskulatur
  • bei plötzlicher Erhöhung des intraabdominellen Druckes (Husten, Niesen): Unwillkürlichen Urinabgang 
  • Diagnostisch: Urethra-Druckprofil.

Störungen der Blasenentleerung

  • Kontraktionsschwäche des M.detrusor
  • unzureichende Erschlaffung der Sphinkteren, oder eine Kombination aus beiden führen zu obstruktiven Symptomen, d.h.
    • Schwierigkeit, die Miktion einzuleiten,
    • zu schwachem oder diskontinuierlichem Fluß.
  • Diagnostisch: Uroflowmetrie und Miktiometrie.
    • Die Blase kann meist nicht vollständig entleert werden, die effektive Blasenkapazität ist häufig herabgesetzt (= gleichzeitiges Vorliegen einer Speicherstörung).

Detrusorhypokontraktilität

  • In Folge einer neurogenen Lähmung
  • oder einer passiven Blasenüberdehnung
  • Verminderter „Detrusordruck“ bei der Miktion (Blasendruck minus Rektumdruck)
    • häufig muß mit der Bauchpresse unterstützt werden, um ausreichenden Miktionsdruckes zu erreichen
    • Kann der Blasenabgang nicht mehr aktiv geöffnet werden (z.B. bei KOnus- oder Kauda-Syndrom), kommt es zur Harnretention
  • Diagnostisch: Zystometrie: Man findet periodische kleinere Druckschwankungen („autonome Wellen“) als Ausdruck der Eigenständigkeit der intramuralen Ganglien. Diese sind jedoch zur Blasenentleerung nicht ausreichen.

Unzureichende Erschlaffung der Schließmuskeln

  • nennt man „Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie“
  • die Blasen- und Schließmuskel kontrahieren sich während der Miktion gleichzeitig
  • Diagnostisch: Der Widerstandskoeffizient ist erhöht.
  • Je nachdem, ob der innere oder der äußere Sphinkter betroffen ist, unterscheidet man die innere/äußere Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie

Innere Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie

  • Folge vermehrter Aktivität der thorakalen sympathischen Zentren (häufig bei Hals- und Brustmarksläsionen)
  • oder pharmakologisch induziert.

Äußere Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie

  • Im Rahmen einer allgemeinen Beckenbodenspastik bei suprasakralen Rückenmarksläsionen.
  • Diagnostisch: EMG Ableitung von den Dammuskeln vor und während der Miktion

Symptomatische Therapie

Medikamentöse Therapie der Speicherstörung

Therapie bei Detrusor-Hyperreflexie

Es werden je nach individueller Wirksamkeit und Verträglichkeit folgende Medikamente eingesetzt:

  • Anticholinkergika
    • Scopolamin (z.B. Buscopan®) 3-5×10-20mg/d
    • Oxybutynin (z.B. Ditropan® 5mg tbl) 2-3x
    • Trospiumchlorid (z.B. Spasmolyt®. Spasmo-Urgenin® drg) 2-3 x 5-15mg/d
    • Emepronium (A: Cetiprin® 100mg ftbl) 3x1ftbl
      • blockiert nicht nur die Muskarinrezeptoren, sondern hemmt zugleich auch die ganglionäre Übertragung (und zwar wegen der Ausscheidung mit dem Urin vorwiegend an den intramuralen, parasympathischen Ganglien).
    • Die Anwendungsbeschränkungen und systemischen Nebenwirkungen der Anticholinergika sind zu beachten. Atropin besitzt in therapeutisch anwendbaren Dosen am Blasenmuskel keine Wirkungen
  • Flavoxat (z.B. Urispas® drg, 200mg) 3-4x200mg/d
    • wirkt direkt relaxierend auf die glatte Muskulatur, die Verträglichkeit ist meist sehr gut.
  • Calciumantagonisten sollen bei Detrusor-Hyperreflexie ebenfalls den gehäuften Harndrang herabsetzen und die Blasenkapazität erhöhen, vor allem in Kombination mit Anticholinergika. Stufenweise Dosissteigerung.
    • Nifedipin (z.B. Adalat®) 15-60mg/d
    • Verapamil (z.B. Isoptin®) 120-480mg/d
  • Imipramin (z.B. Tofranil® 10mg o. 25mg drg) 25mg drg 1-1-0 /d
    • besitzt nicht nur eine anticholinerge, sondern auch eine alfa-adrenerge Wirkkomponente und erhöht somit den Tonus des inneren Sphinkters, was häufig unerwünscht ist; besonders, wenn dieser bei Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie ohnehin gesteigert ist.
    • Gegenanzeige, Anwendungsbeschränkungen und Nebenwirkungen entsprechend denen der tri- und tetrazyklischen Antidepressiva
  • eine weitere Behandlungsmöglichkeit besteht in der intravesikalen Instillation von 5mg Oxybutynin in Kochsalzlösung, 2x/d für jeweils 30min.
    • Vorteil: weitgehende Vermeidung systemischer anticholinerger Nebenwirkungen.
    • Wird vorwiegend beiPatienten mit Selbstkatheterismus verwendet
  • Zusätzliche Therapie mit alfa-Rezeptorblocker
    • Wenn Detrusor-Hyperreflexie und innere Sphinkter-Dyssynergie kombiniert vorliegen (siehe med. Th. d. Entleerungsstörung).
    • Auch anwendbar, wenn die Behandlung der Detrusor-Hyperreflexie mit Anticholinergika oder Myotonolytika zur Entleerungsstörung führt (Ursache: Senkung des Miktionsdruckes – Restharnkontrolle!).

Therapie bei Detrusor-Hyperreflexie mit äußerer Sphinkter-Dyssynergie

  • zusätzlich einschleichende und individuelle Gabe von
  • Diazepam (Valium®, Gewacalm®)
  • Baclofen (Lioresal®)
  • oder Dantrolen (Dantamacrin®)
  • Schwächung des Rhabdosphinkters durch lokale Injektion kleiner Dosen Botulinum-A-Toxin. Die Wirkung hält ca. 2-3mon an.

Streßinkontinenz-Therapie

  • alfa-Sympathomimetika
    • Midodrin (Gutron® 2,5mg tbl, 5mg tbl, 5mg A, 1%gtt) 2×2,5mg/d
    • cave: Blutdrucksteigerung
  • Imipramin (Tofranil®) 2x25mg (1-1-0)
  • Östrogensubstitution bei Frauen zusätzlich oft erforderlich.

Medikamentöse Therapie der Entleerungsstörungen

Therapie bei Detrusorschwäche

  • Gabe von direkten Parasympathomimetika wie
    • Carbachol
  • oder indirekte Parasympathomimetika (Cholinesterasehemmer)
  • Distigminbromid (Ubretid® 5mg tbl, 0.5mg Amp)
    • Dosierung individuell, beginnend mit 1x5mg/d morgens nüchtern
    • zur Erhaltung genügen wegen der sehr protrahierten Wirkung meist 2-3tägige Einnahmeintervalle
  • bei GA besonders die lange Wirkdauer in Betracht ziehen

Cholinesterase-Hemmer entfalten neben muskarin- auch nikotinartige Wirkungen (an Ganglien und motorischen Endplatten). Hierdurch werden indirekt auch alfa-adrenerge Rezeptoren miterregt, was zu einer unerwünschten Erhöhung des Abflußwiderstandes führen kann. Um dies zu verhindern, müßte gleichzeitig ein alfa-Rezeptorblocker gegeben werden

  • z.B. Dibenzyran® 5mg kps: 2×1, langsam steigern bis max 60mg

Therapie bei innerer Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie

  • Es werden alfa-Blocker gegeben
    • Phenoxybenzamin (Dibenzyran®, 5mg kps) 2×1/d
      • Dosissteigerung alle 4-7 Tage um 10mg bis max 60mg
      • Erhaltungsdosis individuell 20-60mg/d
    • Prazosin (Minipress® 1mg, 2mg u. 5mg tbl)
      • Anfangsdosis 0,5mg/d
      • Maximaldosis 20mg/d (einschleichend)

Therapie bei inneren Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (im Rahmen einer Beckenbodenplastik)

Gabe von Myotonolytika mit unterschiedlichem Angriffsort. Die Dosierung muß einschleichend individuelle ermittelt werden (sieheSpastische Bewegungsstörungen). Die medikamentöse Behandlung reicht aber oft nicht aus, so dass möglichst frühzeitig eine operative Intervention (siehe unten: Operative Therapie) oder die funktionelle Denervierung des Rhabdosphinkters durch topische Anwendung von Botulinumtoxin in Betracht gezogen werden sollte.

  • Diazepam
  • Baclofen (Lioresal®)
  • Dantrolen (z.B. Dantrolen®, Dantamacrin®)
  • Tizanidin (z.B. Sirdalud®)

Katheterisierung

  • Die intermittierenende (Selbst-) Katheterisierung (clean-intermittend-catheterisation, CIC) kann bei verschiedenen Entleerungsstörungen langfristig praktiziert werden und ist die Methode der Wahl bei der Kombination aus medikamentös unbeeinflußbarer Detrusorschwäche und spastisch erhöhtem Tonus der Beckenbodenmuskulatur. Bei Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie sollte der hyperaktive Detrusor zunächst medikamentös in einen hypoaktiven Detrusor umgewandelt werden. Darüber hinaus sollte die CIC auch in solche Fällen erwogen werden, in denen früher das Credé-Manöver zur Blasenentleerung angewendet wurde, also bei schlaff gelähmtem Blasenboden.
  • Die Katheterisierung erfolgt 3-4 x täglich unter sterilen Kautelen, wobei jeweils eine vollständige Entleerung angestrebt wird. Die maximale Füllungsmenge der Blase darf 500ml nicht überschreiten.
  • Die Anlage einer suprapubischen Fistel bringt gegenüber der intermittierenden (Selbst-)Katheterisierung insgesamt keine Vorteile. Wenn jedoch eine Dauerableitung benötigt wird, ist die Infektionsgefahr geringer als bei einem Harnröhren-Verweilkatheter, besonders bei Frauen. Da sich die Ausflußöffnung im Sitzen und Liegen nicht am tiefsten Punkt befindet bleibt Restharn zurück, wenn die Blase nicht zusätzlich ausgedrückt wird.
  • Anmerkung: Auf Dauer ist ein Harnwegsinfekt bei keinem Verweilkatheter zu verhüten.

Prophylaxe des Harnwegsinfekts

Bei Patienten, die sich selbst katheterisieren, stellt die Anwendung von folgende Präparaten eine wirksame Prophylaxe gegen Harnwegsinfektion dar.

  • Methenamin-Präparate
    • 3-4 x 1000mg nach den Mahlzeiten.
    • GA: schwere Leberfunktionsstörungen, NINS
    • NW: gastrointestinale Störungen, Hautausschlag, Blasen- und Nierenreizung
    • WW: bei gleichzeitiger Anwendung von Sulfonamiden: Kristallurie.
  • Nitrofurantoin
  • Trimethoprin-Cotrimoxazol

 

Anmerkung: Bei Patienten mit Dauerkatheter wird die Chemoprophylaxe nicht als sinnvoll angesehen.

Blasentraining

Kooperatiosbereitschaft und –fähigkeit sind vorausgesetzt für ein effektives Blasentraining.

KI

  • bei Patienten mit vesiko-ureterale Reflux (Hydronephrose)
  • schwere Niereninsuffizienz
  • strukturelle Veränderungen des unteren Harntraktes (mechanischer Abflußbehinderung)

Blasentraining

sollte bei Reflexblase infolge suprasakraler Läsionen angewandt werden.

Anfangs zweistündliches Beklopfen oder besser rhythmisches Eindrücken der Unterbauchgegend (Dehnungsreiz der Blasenwand). Richtwert: 7-8 manuelle Impulse in 5s. Durch dieses „Triggern“ wird nicht nur reflektorisch eine Blasenmuskelkontraktion hervorgerufen, sondern es wird auch eine gleichzeitig bestehende Beckenbodenspastik verstärkt (!), was der Blasenentleerung entgegenwirkt. Sobald die ersten Harntropfen abgehen, soll das Triggern daher unterbrochen werden, damit sich die Muskulatur wieder entspannen kann. Nach Sistieren des Harnflusses wird dann erneut getriggert usf., bis eine möglichst vollständige Entleerung der Blase in mehreren Harnportionen erreicht ist.

Cave: Der Einsatz der Bauchpresse ist beim Triggern zu vermeiden (Verstärkung der Beckenbodenspastik).

Mit zunehmender Effektivität der reflektorischen Entleerung können die zusätzlichen Katheterisierungen reduziert werden. Auch die Zeitintervalle zwischen dem Triggern können unter Kontrolle der Restharnmenge allmählich verlängert werden.

Autonome Blase und schlaff gelähmter Beckenboden

  • infolge Schädigung des Sakralmarks
  • oder Schädigung der Nerven die aus dem Sakralmark austreten

Das traditionelle Vorgehen besteht darin, die Blase durch Kontraktion der nicht gelähmten Abdominalmuskulatur und durch suprapubische Kompression mit der Faust (Credé-Handgriff) auszupressen. Bei Erfolg soll der Patient seine Blase zunächst alle 2h passiv möglichst weitgehend entleeren; gleichzeitig können die flankierenden Katheterisierungen zunehmend reduzieren werden. Restharnmengen unter 80ml gelten als befriedigend bis gut, 80-150ml als ausreichend, mehr als 150ml als ungenügend.

Cave: Bei normal tonisiertem oder spastischem Beckenboden darf diese Methode nicht angewandt werden (statt dessen CIC).

Elektrostimulation und Neurotomie

Bei Frauen mit sonst unbeeinflußbarer Detrusor-Hyperreflexie und Inkontinenz besteht eine mögliche Therapie in der Hinterwurzeldurchtrennung S2-S5 und anschließender indirekter Blasenstimulation über die vorderen Kaudawurzeln mittels implantierbarem Schrittmacher (Brindley). Das Problem der dyssynergen Miktion wird dadurch gemildert, dass der äußere Sphinkter nach kurzzeitiger Stimulation rascher erschlafft als der Detrusor, während der Sympathikuseinfluß auf den inneren Sphinkter durch die Stimulierung der parasympathischen Efferenzen vermindert wird.

Operative Therapie

Bereits im ersten Halbjahr nach Eintritt einer Rückenmarksläsion, die zu einer Beckenbodenspastik mit Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie geführt hat, wird beim Mann häufig der äußere Schließmuskel durch Teildurchtrennung seiner Muskelfasern geschwächt (Sphinkterkerbung). In der Folge sinkt der Miktionsdruck, die Detruserhyperreaktivität nimmt allmählich ab. Die Compliance und Blasenkapazität steigen, der Patient wird hierdurch nicht wesentlich inkontinenter. Erforderlichenfalls muss der Patient mit einem Urinal versorgt werden.

Bei schlaffer oder autonomer Blase wird de sich nicht mehr öffnende Blasenhals transurethral entfernt (oder eine Einkerbung in diesem Bereich gemacht), hierdurch wird eine trichterförmige Umwandlung der proximalen Harnröhre erreicht. Die Blase kann dann meist mit kleinem Druck ausgepresst werden. Bei zusätzlich schlaff gelähmten Beckenboden   kommt es unvermeidlich zur Inkontinenz, so dass das Tragen eines Urinals erfoderlich wird. Es sollte daher bei schlaffem Beckenboden und schlaffer autonomer Blase besser  die intermittierende Selbstkatheterisierung empfohlen werden.

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