Morbus Wilson

auch: Hepatolentikuläre Degeneration, Westphal-Pseudosklerose

Definition

Der M. Wilson ist durch einen autosomal-rezessiven übertragenen Gendefekt auf Chromosom 13 bedingt. Infolge Mangels oder gestörter Bildung des Transportproteins Coeruloplasmin, eines a2-Globulins, in der Leber, kommt es zu einer vermehrten Kupfereinlagerung in Leber, Niere, Hornhaut (Kayser-Fleischer-Ring) und Gehirn, wo vorwiegend Putamen und Palidum betroffen sind. Im Serum ist Kupfer zu 98% an Coeruloplasmin, der Rest an Albumin („freies Kupfer“) gebunden. Selten sind erworbene symptomatische Formen der Kupfereinlagerung infolge Leberfunktionsstörungen oder Induktion durch Medikamente (z.B. Valproat).

Klinik

Es werden bei 40-50% der Patienten neurologische (Tremor, Rigor, Dystonie, Dysarthrie, cherotiforme Hyperkinesien, Hypersalivation, Ataxie) und psychiatrische Symptome (Pseudoneurasthenie, organische Wesensveränderungen, Demenz) beobachtet.

Diagnostik

Die Diagnose wird durch Laboruntersuchungen gesichert.

  • GOT und GPT sind häufig erhöht.
  • Serum-Kupferspiegel ist erniedrigt (Norm 50-100 mg/dl)
  • Coeruloplasmin-Serumspiegel erniedrigt (Norm >20mg/dl)
  • Kupferausscheidung im 24h-Harn erhöht (Norm 28-70 mg)
  • Kupferausscheidung-Anstieg im 24h-Harn nach Gabe von 900mg D-Penicillamin (beim Gesunden 0,4mg, bei M.Wilson > 1-1,5mg)
  • Radio-Kupfer-Test (64CuCl2)
  • Leberbiopsie: Nachweis erhöhter Kupferkonzentration (> 100ĩg/g) nach vorherigem Ausschluß einer Cholestase
  • CCT und MR: Nachweis pathologischer Veränderungen in Putamen und Pallidum, z.T. auch im Caudatum und anderen Hirnregionen; im MR meist früher nachweisbar als im CT.

DD

  • andere chronische Lebererkrankungen
  • Parkinson-Syndrom
  • Torsionsdystonie
  • M. Huntington
  • Chorea anderer Genese
  • olivopontozerebelläre Atrophie
  • Tremor unterschiedlicher Genese
  • Psychosen
  • Hereditäres Krankheitsbild mit Kupferablagerung, begleitet von progressiver Demenz, spastischer Dysarthrie, vertikaler Blickparese, Gangstörung, Splenomegalie, kein Kornealring; Beginn in der Pubertät
  • Menkes-Krankheit (kinky hair disease): X-chromosomal-rezessiv vererbte Störungen, Erblindung, Hyperthermie, Knochenstörungen, abnorm drahtigem Haar, vermindertem Coeruloplasmin und Serumkupfer

Therapie des M.Wilson

Elimination von Kupfer aus dem Gewebe

es erfolgt durch Medikamente

  • D-Penicillamin (Artamin®)
    • Dosierung: anfangs 250-500mg/d, später 750mg bis 1600mg/d oral ca. 30min vor den Mahlzeiten, langsame Dosissteigerung mit dem Ziel einer Kupferausscheidung im Urin > 500mg/24h und Serum-Kupferspiegel 1,5ĩmol/l zusätzlich Gabe von Vitamin B6 = Pyridoxin (A: BenadonŽ „Roche“) zur Vermeidung von Opticus-Neuropathien.
    • NW: anfangs Thrombopenie, Leukopenie, Panzytopenie, Nephropathie; Besserung durch vorübergehende Gabe von Kortikoiden. Bei ca. 5% Unverträglichkeitsreaktionen, Komplikationen bei chronischer Verabreichung sind Polyneuropathien, Myasthenie, Myositis, intestinale Ulzera, maligne lymphatische Erkrankungen, Bindegewebserkrankungen, Hautexantheme.
    • SS: Während der Schwangerschaft ist das Reduzieren der Dosis, bzw. Absetzen empfohlen.
  • Triäthylen-Tetramin-Dihydrochlorid (trientene Dihydrochloride, K&K Gsief, Großbritannien, 300mg tbl) 3-4 x 600mg/d oral, in Deutschland nicht im Handel
  • Dimercaprol (kein Präp. bekannt) 1-2 x 100mg bis 200mg/Woche. Tief i.m.

Reduktion der intestinalen Aufnahme

durch folgende Maßnahmen:

  • Zinksulfat, -aspartat
    • 3 x 50-200mg/d, ca. 30-60min vor den Mahlzeiten
    • Zinksulfat konkurriert im Darm mit der Kupferresorption durch Bindung an Metallothionin, verhindert die durch D-Penicillamin verursachte Ageusie
  • Kaliumsulfid
    • 3 x 20 bis 40mg/d, ca. 30min vor den Mahlzeiten
  • streng kupferarme Diät:
    • tägliche Kupferaufnahme möglichst <1mg
    • Verwendung kupferfreier Kochgefäße (Glas)
    • Berücksichtigung des Kupfergehaltes im Leitungswasser
      • falls >80-100mg/l: Wasser entmineralisieren
  • Sowohl die Kupferelimination aus dem Gewebe als auch die Reduktion der Kupferaufnahme müssen lebenslang durchgeführt werden.

Lebertransplantation

Es liegen einige positive Berichte vor.

Symptomatische Therapie

je nach Überwiegen des Zielsymptoms:

  • Tremor: Propranolol (A: Inderal® 10, 20, 40mg ftbl; D: Dociton®)
  • Hypersalivation: Atropin 3 x 0,25-1mg/d, aber auch Amitriptylin (Saroten®) 10-25mg 1-2×1/d
  • Hyperkinesien: Benzamid-Derivate (D: Tiapridex®) 300-600mg/d, Tetrabenazin 25mg bis 150mg/d, Haloperidol (A/D: HaldolŽ 1-6mg/d
  • Metabolische Azidose (Serum-Bicarbonat < 15mmol/l): Natriumbicarbonat
  • nicht bewährt haben sich
    • Vitamin C
    • Coeruloplasmin-Substitution
    • Vitamin B12
    • Äthylendiamintetraacetat

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