Stadium IV: Kompletter Insult
Unter einem kompletten Schlaganfall (Insult, Stroke) versteht man eine zerebrale Ischämie, die zu nicht reversiblen neurologischen Ausfällen führt.
Pathogenese
Territorialinfarkte: thrombotisch oder embolisch entstandene Verschlüsse von größeren Ästen oder Gefäßstämmen.
Bild: Teilinfarkt der ACM (arteria cerebri media) rechts
Hämodynamische Infarkte: Im Grenzgebiet von Arterien (z.B. ACA/ACM oder ACM/ACP) oder auch im Grenzgebiet von langen Markarterien. Verursacht werden sie durch Stenosen vorgeschalteter Gefäße (z.B. höhergradige ACI-Stenose).
Bild: beidseitiger Grenzzoneninfarkt im Grenzgebiet ACA/ACM
Lakunäre Infarkte: Im CCT oder CMR sichtbare ischämische Läsionen, die kleiner als 1,5cm sind, sie entstehen durch Mikroembolien oder hypertensive Mikroangiopathien.Klinik
im Versorgungsgebiet eines Gefäßes
- A.cerebri media (ACM): brachiofazial betonte Hemiparese, inkl. sensibler Störung, Aphasie (siehe MR-Bild) und Apraxie (besonders wenn dominante Hemisphäre betroffen ist)
- A. cerebri anterior (ACA): beinbetonte Hemiparese, inkl sensibler Störung, Gangataxie, Blasenstörung
- A. cerebri posterior (ACP): Hemianopsie, Hemihypästhesie, evtl. amnsestische Aphasie bzw. assoziative Aphasie
- A.choroidea anterior: Hemiparese, sensible Störung, Hemianopsie, Thalamussyndrom
- A.cerebelli inferior posterior (PICA): Wallenberg-Syndrom
- A.spinalis anterior: Paraplegie, dissoziierte Empfindungsstörung, Schmerzen, Blasenstörung
Hirnstamminfarkte
- meist gekreuzte Symptomatik
- mit Hirnnervenausfall auf der Seite der Läsion: oft gibt es Nystagmus, Drehschwindel, Doppelbilder, Ataxie, Dysarthrie, Drop attacks, amnestische Episoden
- und periphere Störungen gekreuzt (auf der Gegenseite der Läsion): sowohl motorische als auch sensible Störungen sind möglich – häufig rein motorisch oder rein sensiblel.
Lakunäre Infarkte
- oft als „minor stroke“: rein motorische der rein sensible Ausfälle, Ataxie, Hyperkinesen (als Hemiballismus), dysarthria-clumsy-hand-Syndrom, Hirnstammsyndrome
- häufig rezidivieren die Störungen und es findet sich im CCT im Endstadium ein „Status lacunaris“. Im Endstadium findet man beispielsweise folgende Symptome:
- Dysarthrie, Schluckstörung, geringgradige Hemiparesen, Gangunsicherheit/kleinschrittig (Marche ā petits pas), Inkontinenz, demenzieller Abbau.
Diagnostik
..gleich wie bei der asymptomatischen Ischämie beschrieben
klinische Untersuchung
- Blutdruckmessung an beiden Armen
- Palpation und Auskultation der Halsgefäße
- Auskultation des Herzens
EEG
- Herdbefund?
EKG
- Arrhythmie?
- Infarkt?
„Neurosono“
- extra- und transkranielle Dopplersonographie
- Duplex/Triplex – Sonographie
cito-CCT
- Ausschluss einer intrakranielle Blutung
- Kontroll-CCT nach 24-48 h
- bei fehlenden primären Insultzeichen
- bei Progredienz des Geschehens
- bei Gefahr der Einklemmung (z.B. Kleinhirninsult/Blutung)
DD
- intrazerebrale Blutung
- Tumorblutung
- Hirnvenen- und Sinusvenenthrombose
- subdurales Hämatom
- embolische Herdenzephalitis
- hämorrhagische Enzephalitis (z.B. bei Herpes simplex)
- Migraine accompagnée
Therapie
Allgemeine Maßnahmen
- Blutdruck nur senken, wenn
- systolisch über 200mmHg oder
- diastolisch über 110mmHg
- primär mit Nifedipin senken (A: BuconifŽ-Spray, 1 Hub. D: Adalat 1kps)
- wenn dies nicht hilft: Urapidil
- A/D: EbrantilŽ 3Amp je 50mg (=150mg) auf 50ml NaCl 0,9% (=3mg/ml) 3-10ml/h
- Digitalisierung nur bei manifester Herzinsuffizienz
- z.B. LanitopŽ 1A i.v./d, nach 3 Tagen Umstellung auf p.o.
- Ausgleichen von Bradycardie und Tachycardie
- optimale Blutzuckereinstellung
- erhöhter BZ vergrößert das Infarktareal
- primär erhöhte Werte mit Normal-Insulin senken
- A/D: Insulin-ActrapidŽ
- bei Hirnödem
- Hirndruckbehandlung
- hierbei sind Steroide zu vermeiden, wegen
- fehlende Wirksamkeit bei zytotoxischem Hirnödem
- Erhöhung des Blutzuckers
- Gefahr der Beinvenenthrombose
- Flüssigkeits– und Elektrolytbilanz
- bei kritischen Patienten am besten mit Monitorisierung:
- CAVA-Katheter
- ZVD-Messung: Bilanzierungskontrolle
- parenterale Ernährung
- Schonen der peripheren Venen bei Verabreichung venentoxischer Substanzen (z.B. Kalium-Lösungen, NimotopŽ sollen immer über zentralen Venenkatheter zugeführt werden)
- Arterielle Leitung
- Blutgasbestimmung (pO2 über 100mmHg, pCO2 unter 45)
- Anm.: wichtig für rechtzeitige Entscheidung einer Intubation sind neben den Koma-Kriterien die Blutgase(!)
- pH und Elektrolyte (evtl. Elektrolyte ausgleichen, abpuffern von Azidose)
- CAVA-Katheter
- bei kritischen Patienten am besten mit Monitorisierung:
- Thromboseprophylaxe
- wenn nicht sowieso vollheparinisiert wird
- Durchführung mit niedermolekularen Heparinen, z.B.
- FraxiparinŽ 0,3 1x/d s.c.
- AT-Strümpfe
- Physiotherapie: aktives und passives Bewegen der Beine
- erhöhte Temperatur senken
- mit Paracetamol
- A: MexalenŽ 1000mg supp.
- D: BenuronŽ 1000mg supp.
- Wadenwickel
- ultimo ratio: Lytische Cocktail
- mit Paracetamol
- Dekubitusprophylaxe: Lagerung
- Ulcusprophylaxe:
- H2-Blocker
- oder Sucralfat: UlcogantŽ Granulat 3x2Beutel
Lyse-Therapie
- Kriterien
- Zeitpunkt des Insultes unter 3h vor Lyse-Beginn
- keine Zeichen beginnender Hypodenistät im cito-CCT
- KI
- Gerinnungsstörung (auch der Thrombozyten)
- Blutung
- Dissektion der Basilaris
- Infarktdemarkierung im CCT
- vorangegangene Operation
- relative KI: Malignom, Pankreaditis, Endokarditis, Sepsis, Aortenaneurysma, Ulkus ventrikuli, NINS, Leberinsuff., (Alter)
- Dosierung
- 0,9mg/kg KG r-TPA (Actilyse®)
- 10 als Bolus
- Rest über eine Stunde
- keine gleichzeitige Heparinisierung!
- CCT nach 24h zum Ausschluß einer Einblutung
- wenn nicht eingeblutet, nach diesem CCT Vollheparinisierung
Vollheparinisierung
- Indikation
- Basilaristhrombose
- rezidivierende Hirnstamminfarkte
- Progredienz der Insultsymptomatik (progessive stroke)
- Crescendo-TIA
- embolische Infarkte mit kardialer Emboliequelle
- Karotisdissektion, Vertebralisdissektion
- Dosierung
- Perfusor: 25000 IE Heparin/50ml NaCl0,9%
- initial Bolus-Gabe von 10ml aus Perfusorspritze (=5000 IE)
- Einstellung 2ml/h (=1000 IE/h)
- pTT-Kontrollenach 3h
- Ziel: pTT 2-2,5fache des Ausgangswertes (ca. 50-70s)
- Dosisanpassung: je nach pTT-Werten.
- Anfänglich AT3 mitbestimmen: Vermindertes AT3 ausgleichen – vermindertes AT3 ist oft Ursache höherer Heparindosen um ausreichende pTT-Verlängerung zu erreichen.
- Kontraindikation der Heparinisierung
- Hämorrhagischer Infarkt (CCT!)
- großer Infarkt (z.B. 2/3 eines Media-Stromgebietes oder maligner Mediainsult)
- unkontrollierbare arterieller Hypertonus
- hämorrhagische Diathesen (Gerinnungsstörungen)
- Magen-Darm-Ulzera
- Blutungen
Hämodilution
- ist umstritten
- kontraindiziert bei
- Myocardinfarkt (Volumsbelastung)
- nicht kompensierte Herzinsuff. (Volumsbelastung)
- renale Insuffizienz (Kreatinin >2)
- unkontrollierter Hypertonus
- Exsikose
- reaktive Polyglobulie (bei COPD)
- Exsikkose
- Flüssigkeitsausgleich mit Ringer-Lösung (Vorsicht bei Herzinsuff. – Volumsbelastung)
- Polycythaemia vera
- bei Hämatokrit >45%
- isovolämische Hämodilution:
- Aderlass 250-500ml
- simultan HAES 10% 250ml i.v.
- u.U. mehrfach zu wiederholen
- isovolämische Hämodilution:
- bei Hämatokrit >45%
Reinfarktprophylaxe
- Risikofaktoren behandeln
- Hypertonie
- Diabetes mellitus
- Nikotin-Abusus
- Alkoholabusus
- Amphetamine, Pille, …
bereits bei der TIA besprochenen Therapieformen sind auch hier zu überlegen (siehe dort):
- Thrombozytenaggregationhemmer
- orale Antikoagulation
- TEA (Thrombendarterektomie): bei hämodynamisch wirksamen Stenosen über 80% (oder exulzerierten Plaques: Thromboembolierisiko!) im ACC- und ACI-Bereich. Die Operation sollte frühestens 3 Wochen nach dem Insult erfolgen (im KM-CCT sollte man keine Kontrastmittelaufnahme der Läsion mehr sehen)