Antiepileptika, Nebenwirkungen

Dieses Kapitel wird noch überarbeitet. Es gibt sowohl Neues zu den alten Medikamenten zu nennen, wie auch die neuen Medikamente bezüglich ihrer Nebenwirkungen anzuführen.

Nebenwirkungen

Nebenwirkungen und Interaktionen sind insbesondere wegen der häufig lebenslangen Einnahme von Antiepileptika besonders zu beachten

Es sind sowohl schwere, dosisunabhängige, meist schon bei Behandlungsbeginn auftretende, z.T. tödlich verlaufende, aber seltene Nebenwirkungen als auch dosisabhängige, mit der Dosisreduktion reversible Nebenwirkungen beobachtet worden. Außerdem können durch die Langzeitbehandlung Stoffwechselstörungen, hämatologische, hormonale und neurologisch – psychische Veränderungen auftreten.

Dosisunabhängige akute Nebenwirkungen

Agranulozytose

Nahezu alle Antiepileptika: Diese kann schon zu Therapiebeginn auftreten mit Fieber, hochgradiger Verminderung der Granulozytenzahl (bei nahezu normalen Erythrozyten- und Thrombozytenwerten), Schleimhauterosionen („Angina agranulocytotica“), evtl. septischen Herden.

Überempfindlichkeitsreaktionen

Exanthem (evtl. bullös), Enanthem, Lymphknotenschwellung, Hepatosplenomegalie, Eosinophilie, Leberenzymerhöhung. Sofortiges Absetzen der Antiepileptika erforderlich. Weiterbehandlung ist mit Benzodiazepinen oder Phenobarbital zu empfehlen. Wenn die Ursache Primidon war, darf kein Phenobarbital gegeben werden und umgekehrt, da Primidon zu Phenobarbital abgebaut wird. Zwischen Carbamazepin und Phenytoin können Kreuzreaktionen vorkommen. Bei Überempfindlichkeitsreaktionen müssen evtl. Kortikoide eingesetzt werden.

Lebererkrankungen und Leberkoma

Während einer Valproinsäure-Therapie kann ein u.U. tödliches Leberkoma auftreten, am ehesten in den ersten 6 Monaten der Behandlung. Besonders gefährdet sind Kinder bis zum 2. LJ, mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche. Familiäre Belastung und Mehrfachtherapie erhöhen das Risiko. Wahrscheinlich spielen metabolisch-genetische Faktoren eine wichtige Rolle bei dieser Erkrankung. Erste Zeichen können Apathie, Appetitlosigkeit und Ataxie sein; erst dann steigen die Transaminasen im Serum an; es treten rasch auch Koagulopathien auf, die sich klinisch in Form von blauen Flecken oder Nasenbluten zeigen. Sofortiges Absetzen von Valproinsäure und rasche symptomatische Behandlung des beginnenden Leberkomas, evtl. auf einer Intensivstation, sind dringend erforderlich.

Zur Vorbeugung eines Leberkomas sollten die oben genannten Risikogruppen Valproinsäure nicht als Erstmedikation bekommen. Patienten, die mit Valproinsäure behandelt sind, sollten am Beginn der Therapie engmaschig durch 2 wöchige Wiedervorstellung und durch monatliche Transaminasen-, Thrombozyten-, und evtl. Thrombozytenfunktions- und Fibrinogenbestimmung kontrolliert werden. Auch die Angehörigen sollten aufgeklärt werden, dass der Patient bei ersten klinischen Erkrankungszeichen sofort den Arzt aufsuchen muß.

Auch unter anderen Antiepileptika (z.B. Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin, Primidon) kann ein Leberkoma auftreten, jedoch selten schon zu Behandlungsbeginn.

Dosisabhängige Nebenwirkungen

Fast alle Antiepileptika verursachen folgende Nebenwirkungen:

  • Müdigkeit, Verlangsamung, Schlafstörungen
  • Schwindelgefühl
  • Nystagmus, Ataxie
  • gastrointestinale Störungen, Appetit- und Gewichtsveränderungen
  • Verschwommensehen

Weitere Nebenwirkungen

Während der Langzeitbehandlung entstehende Veränderungen wie erhöhte Leberenzymwerte sind nicht immer ein Zeichen für eine beginnende Lebererkrankung. Eine g-GT oder GPT-Erhöhung ist in 90% als Enzyminduktion zu beobachten. Wenn sowohl g-GT als auch GPT und GOT erhöht sind, ist eine internistische Untersuchung zu empfehlen. Nach mehrmonatiger oder –jähriger Therapie auftretende Lebererkrankungen, meist als Fettleber, können das Absetzen oder Austausch der Medikamente erforderlich mache.

Besonders jungen Patienten könne die alkalische Phosphatase erhöht, das Serumcalcium und der Phosphatspiegel erniedrigt sein. Einer Osteomalazie und Rachitis kann durch Behandlung mit Vitamin D3 (600-1000 IE/d) vorgebeugt werden, eine manifeste Erkrankung durch hochdosierte Vitamin-D3-Gabe (600 – 1000 IE/d für 3 Monate) therapiert werden.

Hormonale Veränderungen, z.B. erniedrigte T4- und FT4 – Werte ohne klinische Zeichen einer Hypothyreose, können beobachtet werden, wobei keine Substitution notwendig ist, jedoch ist bei pathologischem TRH-Test auf Hypophyseninsuffizienz zu achten. Es wurden auch Libidominderung und Infertilität in Zusammenhang mit erhöhten Prolaktinen und vermindertem freiem Testosteron beschrieben. Die Wirkung der ovulationshemmenden Präparate kann nachlassen, weil die Östrogene durch Enzyminduktion schneller abgebaut werden.

Bei Carbamazepin-Therapie wurden Hyponatriämie und Hypoosmolarität beobachtet, verbunden mit Übelkeit, Verwirrtheit, Kopfschmerzen und erhöhter Anfallshäufigkeit.

Eine Leukopenie ohne klinische Zeichen einer Agranulozytose erfordert nicht unbedingt ein Absetzen der Medikamente, falls die Leukozytenzahl nicht unter 3000/mm3 sinkt oder der Granulozyten-Anteil nicht < 25% liegt. Auch die Thrombozytenzahl kann vermindert sein; sollte sie auf Werte < 80.000/mm3 sinken, ist eine Dosisreduktion oder ein Absetzen der Antiepileptika indiziert.

In der Frühschwangerschaft verabreichte Valproinsäure verursacht mit 4fach höherem Risiko eine Myelomeningozele der Feten, daher strenge Indikationsstellung und sorgfältige Schwangerschaftsbetreuung (Ultraschalluntersuchung, Serum-a-Fetoproteinbestimmung und evtl. Amniozentese). Weitere Fehlbildungen und fetales Antiepileptika-Syndrom (z.B. Mikrozephalie, Hypertelorismus, Hypoplasie der Nägel, tiefsitzenden Haaransatz, grobes Haar usw.) können auch durch andere Antiepileptika, v.a. Phenytoin, verursacht werden.

Ebenfalls während einer Valproat-Therapie findet man dosisabhängig Gerinnungsstörungen mit Erniedrigung des Faktor-VIII-assoziierten Antigen und des Ristocetin-Cofactors sowie mit Verlängerung der Blutungszeit. Therapie durch Substitution mit Faktor-VIII-Konzentrat.

Besonders bei Phenytoin-, aber geringgradig auch bei Carbamazepin-Behandlung kann eine oft nur subklinische Polyneuropathie mit erniedrigter motorischer und sensibler Nervenleitgeschwindigkeit auftreten.

Eine subakute oder chronische Enzephalopathie kann besonders bei hochdosierter Phenytoin-Behandlung auftreten. Verhaltensstörungen und eine psychotische Symptomatik wurden bei Phenobarbital-, Vigabatrin- und Ethosuximidtherapie beschrieben.

Bei langjähriger Phenytoin-Behandlung Hörminderung und irreversible Kleinhirnatrophie möglich.

Spezielle Nebenwirkungen

  • Gingivahyperplasie, Hypertrichose, Dysarthrie (Phenytoin)
  • vermehrter Speichelfluß und Bronchialsekretion, Wasseransammlung (Clonazepam)
  • Alopezie (Valproinsäure)
  • Dupuytrensche Kontraktur
  • Schulter-Arm-Syndrom (Phenobarbital, Primidon)
  • Induktion eines systemische Lupus erythematodes (Carbamazepin)

Oft ist bei gesicherter dosisabhängiger Nebenwirkung hilfreich, die Tagesdosis auf mehrere Einzeldosen zu verteilen, wobei die höchste Teildosis vor dem Schlafengehen gegeben werden sollte. Wenn die Nebenwirkungen weiterhin bestehen, ist eine Dosisminderung ratsam. Bei einer Kombinationstherapie kann die Dosis des zweiten, gut vertragenen Präparates erhöht werden. Sollten die Anfälle durch oben genannte Empfehlungen häufiger werden, muß ein anderes Antiepileptikum verordnet werden.

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